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Dienstag, 16. Februar 2016

Washington bereitet die Bühne für etwas Dramatisches im Nahen Osten

Washington bereitet die Bühne für etwas Dramatisches im Nahen Osten

F. William Engdahl

US-Vizepräsident Joe Biden spielt eine ganz besondere Rolle in der dunkleren Außenpolitik der Regierung Obama. Das wird gerne übersehen, weil er eine so gesichtslose Persönlichkeit ist. Obama schickt anscheinend, um eine Sache loszutreten, Joe überall dorthin, wo Washington Kriege entfachen will. Sein jüngster Besuch in Ankara und das, was er dort sagte, sind es wert, genauer beachtet zu werden.

Am 24. Januar kam Joe Biden zu intensiven Gesprächen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan und Premierminister Davutoğlu nach Ankara. Bedeutsam an den Gesprächen, soweit bekannt, ist die erstaunliche Tatsache, dass – laut einem ungenannten US-Beamten, der dabei war – Biden die US-Regierung, die behauptet, in einen Krieg zur Niederschlagung des IS verwickelt zu sein, bei den türkischen Politikern nicht einmal Verhandlungen über eine politische Lösung in Syrien erörtert hat.
Stattdessen unterstützt Washington die laufenden ethnischen Säuberungen Erdoğans, die dieser fadenscheinig als Krieg gegen die terroristische PKK, gegen die türkisch-kurdische Bevölkerung und ihre syrisch-kurdischen Verbündeten verschleiert. Mehr noch.

Biden stellte sich neben die türkischen Führer und gab bekannt, dass für den Fall, dass in Genf die diplomatischen Gespräche über Syrien in dieser Woche scheitern, militärische Maßnahmen in Syrien folgen werden, und wörtlich:

»Wir wissen, es wäre besser, wenn wir eine politische Lösung finden könnten, aber wir sind vorbereitet – wir sind bereit, wenn das nicht möglich ist, eine militärische Lösung für die Operation zur Ausschaltung des IS durchzuführen.«

Darüber hinaus erklärte er, Washington werde die Türkei nicht dazu drängen, ihre Truppenstationierung im Irak, in der Nähe der reichen Ölfelder von Mosul, die derzeit vom IS besetzt gehalten werden, zu beenden. Er überließ es den Regierungen des Irak und der Türkei, die Angelegenheit untereinander zu klären, was de facto bedeutet, dass die USA die illegale Invasion der Türkei in den Irak billigen.

In der Tat erörterte Biden eine nicht weiter spezifizierte militärische Unterstützung der USA für militärische Maßnahmen der Türkei, um die Ölfelder von Mosul einzunehmen. Ferner verlor der US-Vizepräsident offenbar kein Wort darüber, dass der IS weiterhin illegal irakisches und syrisches Öl in die Türkei schmuggelt, von wo Erdoğans Sohn den Rohstoff auf die Weltmärkte verschifft und damit den IS-Terror in Syrien finanziert, den Biden zu bekämpfen vorgibt.

Nun wusste Joe Biden, ein in vieler Beziehung bösartiger, korrupter Kumpan, genau, dass Erdoğan und der Chef des türkischen Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, dem IS offen Nachschub liefern, seine Kämpfer ausbilden und für den Krieg gegen Syrien aufrüsten lassen. Dabei behauptet Washington, gegen den IS zu kämpfen. In einem Interview mit der türkischen Nachrichtenagentur Anadoly gab Fidan am 18. Oktober 2015 offen die türkische Unterstützung für den IS bekannt:

»Das Islamische Emirat (IS) ist eine Realität, und wir müssen akzeptieren, dass wir eine so gut organisierte und populäre Institution wie den Islamischen Staat nicht beseitigen können. Daher fordere ich meine Kollegen im Westen auf, ihre Denkweise über islamische politische Strömungen zu überarbeiten, ihre zynische Mentalität beiseite zu legen und Putins Pläne, die islamistischen syrischen Revolutionäre zu vernichten, zu vereiteln.«

Die große Verführung

Wie ich früher bereits geschrieben habe, ist das, was sich zurzeit im Nahen Osten zusammenbraut, weit entfernt von einer diplomatischen Lösung des von den USA unterstützten Krieges des IS, um die rechtmäßig gewählte Regierung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen.

Es handelt sich um eine hinter den Kulissen Washingtons verdeckte Verführung des grandios ehrgeizigen Erdoğan, die durch das ebenso pompöse und dumme saudische Regime König Salmans und seines hitzköpfigen, militärisch unfähigen Sohnes, des Verteidigungsministers und De-facto-Königs, Prinz Salman – die den ISIS unterstützen – abgesichert wird.

Das Spiel Washingtons scheint darauf hinauszulaufen, dem saudi-türkischen Duo genug Seil zu liefern, um mit dem wahnwitzigen Griff nach der Kontrolle über den syrischen und irakischenÖlreichtum und, wenn sie dazu wirklich verrückt genug sind, vielleicht noch über die iranischen Ölfelder, sich selbst daran aufzuhängen.

Nur wenigen ist bewusst, dass König Salman das saudi-arabische Geld für die CIA organisiert hat, um deren Geschöpfe damit zu finanzieren.

Das reicht bis in die Tage zurück, als Salman, noch als Prinz, die Finanzierung von Osama bin Laden und der Mudschaheddin der al-Qaida im Afghanistan-Krieg der 1980er-Jahren gegen die sowjetische Rote Armee organisiert hatte. Heute besteht eine obszöne, militärische und wirtschaftliche Allianz zwischen dem übermäßig ehrgeizigen Erdoğan der Türkei und der wahhabitischen Saudi-Monarchie. Was die saudische Monarchie von Salman und Prinz Salman betrifft, so ist sie begierig, weitere Ölfelder einzunehmen, um ihren Reichtum zu steigern.

Das tut sie nicht, weil die Monarchie mittellos wäre, sondern weil sie sich anscheinend vormacht, ihr würde, wenn sie sich in den Besitz der meisten Ölreserven der Welt brächte, endlich erlaubt, »an der Herren Tisch zu sitzen« und nicht mehr von den arroganten westlichen Oligarchen wie primitive Beduinen und Kameltreiber im Rolls-Royce behandelt zu werden.

Ein erhabener Sultan?

Im März dieses Jahres wurde Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al Sisi als Ergebnis von Absprachen zwischen der saudischen Monarchie Salmans und Erdoğan gezwungen, eine entscheidende politische Position an Erdoğan abzutreten. Erdoğan wird bald die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) führen, die als die muslimische »UNO« gilt, welche an Größe und globaler Macht an zweiter Stelle hinter den Vereinten Nationen steht.

Saudi-Arabien hatte jene Gespräche zwischen der Türkei und Ägypten arrangiert, die den Rahmen für ein Friedensabkommen zwischen der Türkei und Ägypten abgaben, das noch vor April geschlossen werden soll, wenn Al Sisi die Führung der OIC an Erdoğan übergibt. 2013 verurteilte der Türke Erdoğan den Sturz des Regimes der Muslimbruderschaft durch Al Sisi und weigerte sich, Al Sisis Legitimität anzuerkennen.

Jetzt, mit Bezug auf den von den Saudis vermittelten Kompromiss, wird Al Sisi nicht nur seine Präsidentschaft im OIC übergeben, was zweifellos ein mit saudischem Geld für das bedürftige Ägypten geschmiertes Geschäft war. Al Sisi wird auch an das Regime Erdoğans, das die Muslimbruderschaft unterstützt, Hunderte der ägyptischen Muslimbrüder übergeben, die, nachdem Al Sisi 2013 den Präsidenten Mohammed Morsi von der Bruderschaft gestürzt hatte, in der Todeszelle sitzen.

Die OIC wurde 1969 von 57 Mitgliedstaaten als »die kollektive Stimme der muslimischen Welt« gegründet. Sie war infolge des Zusammenbruchs des Osmanischen Reichs und des Kalifats nach dem Ersten Weltkrieg, der ein Vakuum für eine pan-islamische Institution hinterlassen hatte, vorbereitet worden.

Die OIC vertritt heute die Vereinigung von 56 islamischen Staaten. Es handelt sich weitgehend um die gleiche Gruppe islamischer Staaten, die Prinz Salman im vergangenen Monat nach Riad eingeladen hatte, um für Saudi-Arabien eine »Islamische Anti-Terror-Koalition« zu bilden.

Schritt für Schritt nähert sich der überehrgeizige Erdoğan – zurzeit der internationale »Beschützer« der Muslimbruderschaft und der Unterstützer des IS – seinem lange gehegten Traum von derWiederherstellung des islamischen Kalifats, aber nicht eines unter einem gewissen Typen namens Al Baghdadi, der auch bloß eine Fiktion sein könnte.

Der neue Erhabene Sultan soll Recep Tayyip Erdoğan sein. Dies oder Ähnliches glaubt er vor allem nach dem jüngsten Besuch des hinterhältigen Joe Biden in Ankara.

Von Tag zu Tag wird erkennbarer, dass die Intriganten in Washington und ihre oligarchischen Hintermänner von der Wall Street und von Big Oil die Bühne für etwas sehr Großes und sehr Dramatisches herrichten, das in wenigen Monaten im Nahen Osten eintreten soll. Das Ergebnis könnte die ganze Welt überraschen. Wir können uns sicher sein, dass es der Sache des Weltfriedens und der Harmonie nicht förderlich sein wird, wenn es im Sinne Joe Bidens und seiner Gönner seinen Weg nimmt.







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