Saudia-Arabien will syrischen Rebellen Luftabwehrraketen liefern
Tyler Durden
Als am 30. September russische Kampflugzeuge vom syrischen Latakia aus erste Luftangriffe starteten, verschlechterte sich die Lage der syrischen Opposition massiv. Da die syrische Luftwaffe völlig veraltet und ständig auf Ersatzteile und intensive Wartung angewiesen war, stellte Russland eine der hochentwickeltsten und kampfstärksten Luftwaffen zur Verfügung, um gegen Rebellen zu kämpfen, die über keinerlei Luftverteidigungsfähigkeiten verfügten und Luftangriffen praktisch schutzlos ausgeliefert waren.
Ab Oktober begann das russische Verteidigungsministerium dann, einige Hundert Videoclips zu veröffentlichen, die russische Luftangriffe gegen verschiedene Ziele der Rebellengruppen und anderer Kämpfer dokumentierten. Auch der Kreml ging mit hochauflösenden Farbfotos und -filmen an die Öffentlichkeit. Sie zeigten Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi-34 und Langstreckenbomber bei ihren Einsätzen über Syrien. Die Opposition konnte sich dagegen kaum zur Wehr setzen.
Einen Monat lang – etwa von Mitte November bis Mitte Dezember – schien es dann, als behielte Präsident Obama recht. Die Fanfarenklänge im Zusammenhang mit der ersten Welle russischer Luftangriffe waren verklungen, der Vormarsch nordwärts in Richtung Aleppo war zum Stillstand gekommen. Die Offensive hatte sich offenbar festgefahren. Aber dann kreisten die Hisbollah-Kämpfer überraschend Aleppo ein, und die russische Luftwaffe war zu einer »Politik der verbrannten Erde« übergegangen, was den Kampf der bewaffneten Opposition gegen iranische Kräfte angeht.
Als sich abzeichnete, dass die größte Stadt des Landes bald von den loyal zu Assad stehenden Kräften zurückerobert werden würde, begannen die Türkei und Saudi-Arabien, ihre Handlungsoptionen abzuwägen. Ein Einsatz von Bodentruppen seitens Ankaras und Riads wäre für die USA und den Westen ein Albtraum. Eine direkte Konfrontation mit iranischen Truppen wäre praktisch unvermeidlich. Und sollte ein russisches Kampfflugzeug saudische oder türkische Stellungen angreifen, stünde die Welt am Rande eines globalen Konflikts, der die Industrienationen potenziell in einen Krieg hineinziehen könnte.
Bisher ist weder die Türkei noch Saudi-Arabien in Syrien einmarschiert, auch wenn Ankara gegenwärtig Stellungen der syrischen Volksverteidigungskräfte in der Region um Azaz beschießt. Es will die dortigen Kurden daran hindern, ihren Geländegewinn zu konsolidieren. Aber nach Äußerungen des saudischen Außenministers Adel al-Dschubeir könnte Riads nächster Schritt darin bestehen, den Rebellen Boden-Luft-Raketen zur Verfügung zu stellen, damit sich diese gegen russische Luftangriffe verteidigen könnten.
In einem Interview mit dem saudischen Außenminister Adel al-Dschubeir fragte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 20.Februar 2016: »Sind Sie da für, sy ri sche Re bel len mit Bo den-Luft-Ra ke ten aus zu stat ten?« Der Minister antwortete: »Ja. Wir glau ben, dass die Lie fe rung von Bo den-Luft-Ra ke ten die Macht ver hält nis se in Sy ri en ver än dern wird. Sie wer den der ge mä ßig ten Op po si ti on er mög li chen, Hub schrau ber und Flug zeu ge des Re gimes aus zu schal ten, die sie mit Che mie waf fen be schie ßen und bom bar die ren. Bo den-Luft-Ra ke ten wür den die Macht verhält nis se so ver än dern, wie sie sich sei ner zeit in Af gha nis tan ver än dert ha ben. Al ler dings muss man bei die ser Fra ge sehr vor sich tig sein, denn die se Waf fen dür fen nicht in die fal schen Hän de ge ra ten.«
Der Verweis auf den Einsatz von Chemiewaffen ist eine offensichtliche Finte. Es gibt nur einen Grund, moderne Luftabwehrraketen an die Rebellen zu liefern: Man will ihnen die Möglichkeit geben, russische Kampfflugzeuge abzuschießen. Und die folgende Antwort al-Dschubeirs auf die Frage nach den Beziehungen des Königreichs zu Russland bestätigt diese Einschätzung auf ganzer Linie:
»Von un se rem Dis sens über Sy ri en ab ge se hen, sind un se re Be zie hun gen zu Russ land sehr gut, und wir wol len sie wei ter aus bau en. Etwa 20 Mil lio nen rus si sche Staats bür ger sind Mus li me. Wie Russ land stre ben wir da nach, Ex tre mis mus und Ter ro ris mus zu be kämp fen, und wir sind bei de an sta bi len En er gie märk ten in ter es siert. Un se re Mei nungs ver schie den heit über Sy ri en ist eher tak ti scher als stra te gi scher Na tur. Wir wol len bei de ein ge ein tes, sta bi les Sy ri en, in dem alle Sy rer die glei chen Rech te ge nie ßen.«
Diese Behauptung ist sicherlich Unsinn. Syrien war bereits ein Staat, in dem die Bürger – etwas verkürzt gesagt – gleiche Rechte genossen. Das heißt nicht, dass Assad mit abweichenden Meinungen rücksichtsvoll und tolerant umging, wenn es seinen Machterhalt betraf. Aber im Vergleich mit anderen Ländern des Nahen Ostens, wo viele unterschiedliche religiöse Strömungen und Religionen nebeneinander leben, war die Lage in Syrien relativ stabil – bis Riad, Washington,Doha und Ankara beschlossen, sich die Ängste der verarmten Sunniten vor einem zu starken Einfluss des schiitischen Irans zunutze zu machen und sie aufzuhetzen.
Die Heuchelei und offensichtliche Absurdität dieser Äußerungen hat damit aber noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht. Dieses Interview gehört mit Abstand zu den ungeheuerlichsten Interviews der jüngsten Zeit, das mit einem saudischen Regierungsmitglied geführt wurde. Entscheidend ist aber, dass die Saudis offensichtlich bereit sind, den Rebellen Boden-Luft-Raketen zu liefern.
Es ist schwer zu beurteilen, ob die für heute angekündigte Feuerpause diese Pläne letztlich beeinflussen wird. Aber man sollte an Folgendes erinnern: Als die USA, die Türkei und die Saudis Flugabwehr-Lenkwaffen an die Opposition lieferten, um den Vormarsch gepanzerter Fahrzeuge der Regierungstruppen zu stoppen, endete das damit, dass die sogenannte Freie Syrische Armee (FSA) eine dieser Waffen einsetzte, um einen russischen Militärhubschrauber abzuschießen, der nach den Piloten des abgeschossenen russischen Kampfflugzeuges suchte.
Halten es die Saudis wirklich für eine gute Idee, die Rebellen in die Lage zu versetzen, die russische Luftwaffe zu beschießen? Und an welchem Punkt sind die sunnitischen Verbündeten Washingtons bereit, einzuräumen, dass dies möglicherweise ein gigantischer Fehler war, der Hunderttausenden Menschen das Leben kostete?
Aber am wichtigsten ist die Frage: Wann werden die USA und die NATO endlich zugeben, dass sie auf der falschen Seite der religiösen Kluft und daher auf der falschen Seite der Geschichte stehen?
Will das Pentagon wirklich bewaffnete sunnitische Extremisten, die die gleiche Ideologie wie der Islamische Staat und die Al-Nusra-Front vertreten, mit Waffen unterstützen, damit diese russische Kampfflugzeuge abschießen?
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