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Donnerstag, 25. Februar 2016

Ich lehne es ab, an einen Atomkrieg wegen Syrien und Öl zu glauben

Ich lehne es ab, an einen Atomkrieg wegen Syrien und Öl zu glauben

F. William Engdahl

Die Welt erlebte am Wochenende des 19. und 20. Februar eine Wiederholung der Kubakrise von 1962 durch die wachsende Konfrontation zwischen der NATO und Russland in Syrien. Beide Seite machten sich bereit, taktische Nuklearwaffen einzusetzen und die jeweils andere Seite dafür zu beschuldigen, weil die Situation außer Kontrolle zu geraten drohte. Eine Katastrophe wurde quasi nur zwei Minuten vor Mitternacht abgewendet, als Washington dem hitzköpfigen Herrn Erdoğan mitteilte, dass es nicht hinter seiner geplanten Invasion in Syrien stehen würde. Der russisch-amerikanische »Waffenstillstand«, der am 22. Februar vereinbart wurde, erkaufte den USA lediglich Zeit, um ihren nächsten Schritt zu planen. Es gibt keinen Frieden in Syrien, und tragischerweise ist auch in der absehbaren Zukunft kein solcher möglich.

In diesem höchst bizarren und anscheinend endlosen Konflikt im Nahen Osten, in den Kriegen, die letztlich über etwas so Dummes wie die Kontrolle über Öl geführt werden, ist ein alarmierender Bericht aufgetaucht. Er legt ein Horrorszenario von Nationen vor, die taktische Atomwaffen einsetzen, um sich ihrer Ziele zu vergewissern. Wenn es dazu kommen würde, wäre das das Dümmste, was die Menschheit bisher unternommen hätte, um sich selbst zu zerstören. Angesichts der Auswirkungen dessen, was berichtet wird, verdient das mehr als eine eingehende Überprüfung.

Der Bericht stammt von einem ernsthaften US-Journalisten. Er zitiert eine anonyme »Quelle, die Putin nahesteht«. Danach sei ein Atomkrieg möglich, der Russland gegen die USA, die NATO, die Türkei und Saudi-Arabien aufbringt. Ich weigere mich, an einen solchen Atomkrieg wegen Syrien zu glauben, und ich möchte sagen, warum.

Der Bericht

Robert Parry ist ein amerikanischer Enthüllungsjournalist von ungewöhnlich hoher Qualität. Er hatte neben anderen Geschichten explosive Details über den illegalen Iran-Contra-Skandal der US-Regierung aufgedeckt. Parry hatte am 18. Februar den folgenden alarmierenden Hinweis auf seiner Website gegeben:
»Eine Quelle, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahesteht, hat mir gesagt, die Russen hätten den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gewarnt, Moskau sei bereit, notfalls taktische Kernwaffen einzusetzen, um seine Truppen angesichts eines türkisch-saudi-arabischen Angriffs zu schützen. Da die Türkei ein NATO-Mitglied ist, könnte ein solcher Konflikt schnell zu einer allumfassenden nuklearen Konfrontation eskalieren.«i

Ich habe Parrys Nachforschungen seit den 1990er-Jahren verfolgt und halte sie für fachlich hochwertig. Parrys Bericht wurde danach von Alexander Mercouris auf der Internetseite Russland Insider aufgegriffen. Auch Mercouris ist ein ungewöhnlich ernsthafter und vorsichtiger Analytiker russischer Vorkommnisse. Er fügte zu dem Bericht Parrys eigene detaillierte Angaben über eine ungewöhnliche Sitzung des sehr wichtigen russischen Sicherheitsrates vom 11. Februar bei.

Dieser Sitzung waren eine Reihe militärischer Übungen gefolgt, die kurzfristig im südlichen russischen Militärbezirk anberaumt worden waren. Sie deuteten »auf die Absicht hin, das russische Militär kurzfristig auf sofortige Maßnahmen gegen die Türkei vorzubereiten, sollten sich solche als notwendig erweisen«. ii

Der Deckname eines gleichfalls hoch angesehenen und sachkundigen Militäranalytikers lautet »The Saker«. Seine schriftlichen Berichte über Russland nach dem von den USA organisiertenStaatsstreich in der Ukraine Anfang 2014 waren außerordentlich nüchtern ausgefallen. The Saker druckte Mercouris Artikel auf seinem Blog ab, während er selbst offen dem Bericht Parrys und der Analyse Mercouris widersprach.

Am 20. Februar schrieb er: »Ich sehe keinerlei Szenario für einen in Kürze erfolgenden massiven US/NATO-Angriff, aufgrund dessen Russland seine taktischen Atomwaffen einsetzen würde.« Dazu zitierte er auch aus einer Übersetzung der russischen Doktrin über den Einsatz von Kernwaffen:

»§ 27: Die Russische Föderation behält sich das Recht vor, als Antwort auf den Einsatz von nuklearen und anderen Massenvernichtungswaffen gegen sie selbst und/oder ihre Verbündeten von Atomwaffen Gebrauch zu machen, desgleichen im Falle eines Angriffs gegen die Russische Föderation mit konventionellen Waffen in einer Weise, die ihre Existenz als Staat bedrohen würde. Die Entscheidung über den Einsatz von Kernwaffen wird vom Präsidenten der Russischen Föderation getroffen.« iii

Was ich glaube

Ich möchte etwas feststellen, was sich von dem Bericht über die mögliche Verwendung von Atomwaffen in dem Konflikt in Syrien völlig unterscheidet. Dabei weigere ich mich, zu glauben, dass es wegen Syrien und Öl zu einem Atomkrieg kommen wird. Punkt!

Der Konflikt in Syrien ist im Wesentlichen ein Konflikt zwischen zwei Personen – zwischen Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei und seinem Nachbarn, Baschar Hafiz al-Assad, dem Präsidenten von Syrien, Oberkommandierenden der syrischen Streitkräfte, Generalsekretär der regierenden Ba’ath-Partei und Regionalsekretär der Parteisektion in Syrien. Es handelt sich nicht um den Dritten Weltkrieg, und ich weigere mich, zu glauben, dass es dazu kommt. Es handelt sich um einen Konflikt zwischen zwei Menschen, Assad und Erdoğan.

Wenn wir diese Realität über das Wesen des syrischen Konflikts anerkennen, beginnen wir sofort das, was dort geschieht, zu relativieren. Das Problem ist, dass es im Westen eine Fraktion gibt, die danach lechzt, einen Atomkrieg gegen Putins Russland zustandezubringen, und bereit ist, Erdoğan und den saudischen Prinz Salman dahingehend zu manipulieren und alle und jeden zu täuschen, um dieses Ziel zu erreichen. Sie haben es in der Ukraine versucht und sind dort gescheitert.

Das Problem, ein sehr grundlegendes Problem, das ich jetzt im Nachhinein noch deutlicher erkenne, wenn ich es in diesem Licht betrachte, war ein erster Irrtum, wenn auch ein verständlicher. Russlands Führung hatte Ende September – wie ich glaube – aus einer komplexen Reihe von Gründen entschieden, militärisch zu intervenieren.

Einige Gründe betrafen die Verteidigung der russischen militärischen Sicherheit, einige das russische Ansehen oder vermeintliche Ansehen in der Welt, einige waren komplexe psychologische Gründe, die tief in der russischen Geschichte verankert sind. Sie alle führten dazu, dass Russland das Ersuchen annahm, auf einer der beiden Seiten in den syrischen Konflikt einzugreifen und militärisch gegen Terroristen vorzugehen, die in Wirklichkeit der verlängerte Arm der zweiten Partei, nämlich Erdoğans, waren.

Dieser Fehler hat nun der Kriegsfraktion der NATO und darüber hinaus einer Fraktion im Westen in die Hände gespielt, die verzweifelt wünscht, Russland zusammen mit China als positive Macht zum Wohl der Welt zu vernichten.

Es spielt keine Rolle, ob eine Vertrauensperson im näheren Umkreis von Wladimir Putin die Nachricht über die Verwendung taktischer Atomwaffen, sollte Erdoğans Armee in Syrien eindringen und das Leben von schätzungsweise 20 000 russischen Militärpersonen gefährden, an Robert Parry weitergegeben hat. Russlands Militäraktion in Syrien hat der Welt mehr Energie für Krieg, Mord und Hass eingehaucht. Davon bräuchte die Welt dringend weniger.

Wie ich kürzlich in einem Interview mit dem staatlichen russischen Nachrichtendienst Sputnikerwähnt hatte, gibt es aufgrund der Natur des Krieges keine Gewinner in einem Krieg. Jede Seite in diesem Krieg – Erdoğan, Salman und sein Sohn, Prinz Salman, Vizegeneralsekretär der UNO fürpolitische Angelegenheiten, Jeffrey Feltman, John Kerry, Obama, David Cameron, Hollande – täuscht und spielt machiavellistische Spielchen. iv

Russland steckt in Syrien in einer höchst riskanten Lage, wenn es und seine Führungspersönlichkeiten sich irgendwelchen Illusionen hingeben sollten, dass sich die anderen Beteiligten vernünftig verhalten. Hass kennt keine Vernunft. Syriens Baschar al- Assad kann diesen Konflikt mit der Türkei Erdogğans nicht gewinnen. Ebenso wenig kann die höchst moderne Luftwaffe Russlands den Krieg für ihn entscheiden.

Davon abgesehen haben wir jetzt die absurde Situation, dass Tausende nervöser türkischer Militärs bewaffnet an der Grenze zu Syrien stehen und hinüber spähen. Neben diesem törichten Schauspiel haben wir die jüngste Bereitstellung von saudi-arabischen Kampffliegern auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik, der nur 106 Meilen von der russischen Luftwaffenbasis Khmeimim entfernt ist, die in der Nähe von Latakia in Syrien liegt.

Die saudi-arabischen Kampfflugzeuge mit rund 5.000 Mann Flugpersonal liegen neben verschiedenen Militär-Fflugzeugen der türkischen Luftwaffe, des dort stationierten 39. Geschwaders der US-Luftwaffe und neben den F-15E-Düsenjägern der königlich britischen Luftwaffen, die im November 2015 dorthin verlegt wurden, um am "»Angriff auf ISIS«" teilzunehmen. Es ist auch erwähnenswert, dass Incirlik zurzeit einer von sechs europäischen NATO-Luftwaffenstützpunkten mit einem Lagerbestand an taktischen Atomwaffen ist. v

Der türkische Luftwaffenstützpunkt Incirlik (Rroter Stern) in der Nähe der syrischen Grenze ist einer von sechs europäischen NATO-Basen, auf denen taktische Atomwaffen lagern.

In meinem neuesten Buch, The Lost Hegemon: Whom the gods would destroy (Der abgetretene Hegemon: Wen die Götter zerstören wollen) gehe ich ausführlich auf die komplexe, jahrzehntealte, unheilige Allianz zwischen dem Todeskult der Muslimbruderschaft und der CIA ein, die bis ins Saudi-Arabien der frühen 1950er- Jahre zurückreicht, und zeige darin, dass die Konflikte zwischen Syriens Assad und der Türkei Erdogğans überhaupt nichts mit Religion zu tun haben.

Das ist eine Tatsache, unabhängig davon, wer sich sonst noch entschieden hat, auf einer der beiden Seiten daran teilzunehmen. Der Konflikt erinnert viel mehr an eine Kneipenschlägerei, nachdem die erste Bierflasche geworfen worden warist. Er hat nichts damit zu tun, dass Christen –Orthodoxe, Katholiken oder andere -– getötet werden, trotz der jüngsten Gespräche zwischen dem römischen Papst und dem Moskauer Patriarchen. Es handelt sich auch nicht um einen Krieg sunnitischer Wahhabiten gegen Schiiten oder Alawiten.

Das Geheimnis: Es geht um Öl, Dummkopf!

Der schlecht verstandene Grund für diesen Konflikt in Syrien und im gesamten Nahen Osten ist die Kontrolle über Öl -– über Syriens angebliche riesige Öl-Lagerstätten in den von Israel besetzten Golanhöhen, über Iraksdie großen Öl-Vvorkommen des Iraks in Kirkuk und anderswo, über Libyens erhebliche Ölreserven und QKatars riesige Erdgas-Vvorräte. Alle sind hinter dem Öl her -– Bbritische und US-Öl-Interessen, französische, saudi-arabische, türkische, syrische, Iisraelische und irakische Kreise – sie alle. Auch beim NATO-Konflikt mit Russland geht es zum großen Teil um Öl und Erdgas. Selbst Chinas laufende Konflikte mit seinen Nachbarn und den Vereinigten Staaten im sSüdchinesischen Meer drehen sich weitgehend um Öl.

Der Syrien-Konflikt ist im Lichte dessen zu sehen, worum es eigentlich geht: Er ist im Wesentlichen ein Streit zwischen zwei Personen, zwischen Assad und Erdogğan um die Kontrolle über Öl und die riesigen Geldgewinne aus dem Öl. Es handelt sich nicht um den Beginn des Dritten Weltkriegs, wie jener römische Papst das im letzten Jahr am Josée- Martíi- Flughafen in Kuba behauptet hat. Das ist der Grund, weshalb ich mich zu glauben weigere, dass es wegen Syrien und seines Öls zum Atomkrieg kommen wird.



Fußnoten:

i Robert Parry, »Risking Nuclear War for Al Qaeda?« (Nehmen wir wegen al-Qaida einen Atomkrieg in Kauf?), 18. Februar 2016
ii Alexander Mercouris, »Did Russia Just Threaten Turkey With Nuclear Weapons?« (Hat Russland der Türkei gerade mit Atomwaffen gedroht?), 19. Februar 2016, bei: Russia Insider.
iii The Saker, »Week Nineteen of the Russian Intervention in Syria: Would Russia use nukes to defend Khmeimim?« (19. Woche der russischen Intervention in Syrien: Würde Russland Atomwaffen zum Schutz von Khmeimim einsetzen?), 20. Februar 2016.
iv Ekaterina Blinova, »Daesh Terrorists: A Multifunction Tool in Hands of Ankara, Riyadh, NATO«(IS-Terroristen: Ein multifunktionales Werkzeug in den Händen Ankaras, Riyads und der NATO), in:Sputnik News, 20. Februar 2016.
v Gordon Corera, »Tactical nuclear weapons ›are 'an anachronism‹'« (Taktische Atomwaffen »sind ‘ein Anachronismus«‘, in: BBC News, 3. Februar 2012.






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Willy Wimmer: Zwischen allen Stühlen

Willy Wimmer: Zwischen allen Stühlen

Willy Wimmer

Zu was man in der Türkei willens und fähig ist, kann jeder feststellen, der einmal zwischen der Metropole Diyarbakır und der irakisch-syrischen Grenze mit dem Hubschrauber über ein schier endloses Land geflogen ist. Bis zum Horizont wogen im Frühsommer die Getreidefelder. Aber nur scheinbar, denn es ist sinnvoll, genauer hinzusehen. Immer wieder dringen die Grundmauern zerstörter Häuser, Dörfer und von Städten durch das satte Grün. Sie zeugen davon, dass hier die türkische Regierung im Kampf gegen die Kurden über 3000 Dörfer und Städte in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts dem Erdboden gleich gemacht hat. Hunderttausenden Menschen wurden auf diese Weise die Lebensgrundlage und die Heimat entzogen.

Dies geschah mithilfe kurdischer Großgrundbesitzer, die der türkischen Regierung in Ankara im Kampf gegen die Kurden zur Hand gingen. Vorgeblich ging es damals wie heute gegen die PKK, aber Ankara schuf sich auf diese Weise ein riesiges und menschenleeres Vorfeld gegen die Kurden im Irak und in Syrien. Den Millionen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, blieb nichts anderes als die türkische Mittelmeerküste oder Stuttgart und Köln.

Der NATO-Krieg gegen Belgrad wurde in Ankara als eine für die Türkei gedachte Totenglocke empfunden

Damals nahmen wir im Westen das hin, weil es eine offizielle Begründung aus der Sicht des Kalten Krieges seitens der türkischen Regierung gab. Im Kampf gegen den gottlosen Kommunismus, den man bei den Kurden verortete, schien jedes Mittel recht zu sein. Also: Weg mit den Kurden. In der Türkischen Republik hat sich an dieser Einstellung vermutlich bis heute nichts geändert. Dafür spricht schon die Dimension des Ringens.

Das wurde deutlich, als der Westen jenseits des geltenden Völkerrechts daran ging, den Balkan von jedem russischen Einfluss zu säubern und nach seinem Gusto zu filetieren, Bomben auf Belgrad inklusive. Gerade für ein Transitland wie die Türkei war offenkundig, wie das westliche Vorgehen auf dem Balkan der Trassen-Kontrolle für die Erdöl-und Erdgas-Trassen galt.

Die damalige türkische Regierungschefin, Frau Çiller, unternahm auf dem Balkan eine ganze Menge, um es nicht zum Schlimmsten kommen zu lassen. Die türkische Regierung musste sich nur das eigene Land ansehen, um die Folgen ethnischer Trennung zu studieren, die vor allem die USA sich auf die Fahnen geschrieben hatten, um ihre Ziele auf dem Balkan besser durchsetzen zu können.

Wenn zwischen Armeniern, Kurden und Türken auf dem heutigen Staatsgebiet der Türkei alle Völkerstämme richtig gezählt werden, bilden 24 von ihnen die Türkische Republik. Genug Stoff für westliche Strategen, das in ihr Kalkül zu ziehen. Nach dem Modell der 70er-Jahre kann man in den USA oder anderen, mit den USA eng verbündeten Staaten, davon ausgehen, dass die Vertriebenen-Ströme zwischen Flensburg und Passau schon landen werden.

Merkel und die Fata Morgana

Gebetsmühlenartig und mit dem Charakter des letzten Strohhalms versehen, spricht die noch im Amt befindliche Bundeskanzlerin von einer Entlastung der Migrationsentwicklung, die es nur in Zusammenarbeit mit der Türkei zu erreichen gelte. Man sollte Berlin empfehlen, Zeitung zu lesen. Was haben wir nicht alles als vollmundige Absichtserklärung in den letzten Monaten hinnehmen müssen.

Auch und gerade in Zusammenhang mit der Türkei wurden sogar NATO-Verbände in der Ägäis ins Feld geführt, um einen Riegel für die Migrationsbewegungen deutlich zu machen. Die Schiffe waren noch nicht ausgelaufen, als sich Ankara schon nicht mehr an Zusagen gebunden fühlte. Mitnichtenwird man wieder diejenigen in der Türkei aufnehmen, die von NATO-Schiffen in der Ägäis gerettet werden konnten. Aber warum soll Ankara sich anders verhalten als diejenigen, die Milliarden zusagen, sie aber nie zur Unterstützung türkischer Hilfsleistung auszahlen?

»Basar« ist nichts dagegen, wie man miteinander umgeht und das auch noch zum Standard freundschaftlicher Beziehungen umformuliert. Ankara sieht doch eines: Im Westen der Türkei bettelt man um Kooperation in der Migrationsentwicklung und im Osten der Türkei setzt man das gegen die Türkei gerichtete Seziermesser an. Übrigens durch diejenigen, die im Westen alles tun, weiter die Migrationsentwicklung nur als Flankenschutz für amerikanische Kriege, demnächst auch in Libyen, zu betreiben.

Ankara hat versucht, Syrien das Lebenslicht auszublasen, und hört im Osten die für die Türkei bestimmte Totenglocke heftig läuten

Seit dem Ende des Ersten Weltkrieges hat die Welt den Kurden ein besonderes Schicksal zugedacht. Noch nicht einmal das, was den Aseris zwischen dem Iran und Aserbaidschan zugestanden wurde, galt für die Kurden, von einer sehr kurz bemessenen Periode einmal abgesehen. Das, was derzeit in dieser Großregion geschieht, führt uns in die Zeit von vor mehr als 100 Jahren zurück. Es spricht alles dafür, gerade uns Deutsche wieder mit dem Schicksal dieserRegion zu verbinden und mit den Folgen, die uns vermutlich zugedacht werden, aber kaum von uns bestimmt werden können.

Alles schon mal gehabt, wird sich derjenige denken, der in diesen Wochen bei David Fromkin und seinem epochalen Werk über die Probleme dieser Großregion Aufschluss zu Fragen und Erkenntnisse sucht. »The peace to end all peace« war der treffende Titel für diese Bibel der jüngeren Geschichte des Mittleren und Nahen Ostens. Damit wurde deutlich, von welcher Bedeutung diese Region gerade für uns in Europa ist, wenn die Lehren aus der damaligen Entwicklung gezogen werden.

Vor allem deshalb, weil in Israel jede Scheu abgelegt worden ist, sich öffentlich hinter kurdische Staatsgründungsaspirationen zu stellen. Das trägt weit, denn in Kenntnis all dieser Umstände hat die Bundesregierung bei diesem Rückhalt aus Israel für die Kurden nicht gezögert, deutsche Truppen in die Kurdengebiete zu entsenden.

Das hatten wir doch schon einmal. Es ist in Deutschland das in Vergessenheit geraten, worüber nicht nur David Fromkin geschrieben hat. Die jüdische Gesellschaft, und vor allem dabei die amerikanischen Staatsbürger jüdischen Glaubens, standen dem Kriegseintritt der Mittelmächte im Ersten Weltkrieg gegen die Entente sehr aufgeschlossen gegenüber.

Dazu trug bei, was im Kaiserreich den deutschen Staatsbürgern jüdischen Glaubens im Vergleich zu anderen Staaten an Rechten zugestanden worden war. Das musste im Interesse der Entente, wie uns später geöffnete Archive in Moskau deutlich gemacht haben, substantiell verändert werden, und das berühmte »Sykes-Picot-Abkommen« zwischen Großbritannien und Frankreich war das probate Mittel.

Der deutsche Kaiser hielt zu seinem osmanischen Verbündeten und reagierte nicht auf an ihn gerichtete Forderungen, die sich auf eine »jüdische Heimstatt in Palästina« richteten. Mehr muss man in Deutschland eigentlich nicht sagen, wenn heute deutsche Soldaten sich in einer Gegend aufhalten, die aus Israel offen und ungeschminkt für die Bildung eines unabhängigen Staates befeuert werden. Geschichtsvergessener kann man nicht vorgehen und sich dann anschließend in Deutschland über die Folgen wundern.









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»Soll das ein Witz sein?« – Russland reagiert auf Ankaras Anschuldigung, man mache gemeinsame Sache mit dem IS

»Soll das ein Witz sein?« – Russland reagiert auf Ankaras Anschuldigung, man mache gemeinsame Sache mit dem IS

Redaktion

In Syrien und den Nachbarländern wüten die Terroristen. Viele Länder bemühen sich, ihren Kampf gegen den Islamischen Staat aufeinander abzustimmen. Und was macht die Türkei? Ankara erhebt Vorwürfe, die, so sagt Moskau, wie ein schlechter Witz daherkommen.

An den türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu gewandt, fragte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums: »Meinen Sie das ernst, oder ist das Ihre Art von Humor? Sollte es als Witz gemeint gewesen sein, dann denke ich, dass zum aktuellen Zeitpunkt alle – und insbesondere die Türkei – sich nicht mit Ironie oder Sarkasmus abgeben sollten, sondern vielmehr mit konkreten Handlungen, mit denen man dem Terrorismus entgegentritt. Ich glaube, das ist es auch, was das türkische Volk von Ihnen erwartet.«

»Die Aussagen türkischer Offizieller, dass Russland insgeheim den IS unterstützt, sind völlig inakzeptabel«, fügte Sacharowa auf der Pressekonferenz am Donnerstag hinzu. Wenige Tage zuvor hatte der türkische Premier Moskau beschuldigt, sich »wie eine Terrororganisation« zu verhalten. Er verglich den Kampf Russlands gegen den Terror in Syrien mit der IS-Offensive in der Region.

»Russland und andere Terrororganisationen – an allererster Stelle der Islamische Staat in Syrien – sind für zahllose Menschenrechtsverstöße verantwortlich«, erklärte Davutoğlu bei einem Kurzbesuch in der Ukraine. Er fügte hinzu: »Wenn Russland sich weiterhin wie eine Terrororganisation aufführt und Zivilisten zur Flucht zwingt, werden wir eine ausgesprochen deutliche Antwort geben.«

Die Vorwürfe aus Ankara seien erneut nichts als Lügen, erklärte Moskau und sagte, man bedaure, dass man seine Kräfte nicht zum Kampf gegen die Dschihadisten-Milizen bündeln könne, weil die Türkei versuche, den Kampf Russlands gegen Terror zu torpedieren. »Der Terror in der Regionnimmt zu, und wir sollten wirklich die Reihen schließen, um dieses Böse zu bekämpfen. Stattdessen beobachten wir merkwürdige und sogar unangemessene Aussagen der türkischen Führung, die unglücklicherweise ihre Rhetorik auch noch verstärkt«, sagte Sacharowa.

Am Montag hatten nach Berichten der Vereinten Nationen nicht identifizierte Raketen medizinische Einrichtungen und Schulen in Syrien zerstört. Ankara verkündete umgehend, für die »barbarischen Angriffe auf Zivilisten« sei niemand anderes verantwortlich als »Russland und Terrorgruppen«.

Das russische Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe als völlig grundlos zurück. Ankara führe einen »aggressiven Informationsfeldzug« gegen Russland, weil man verhindern wolle, die Kontrolle über den Norden und Nordwesten Syriens zu verlieren. Dort hätten die türkischen Behörden in den vergangenen Jahren wie »absolute Herrscher« regiert.

Auch der tödliche Anschlag, der am Mittwoch in Ankara stattfand, floss in die Anschuldigungen gegen Moskau mit ein. Die Türkei gibt nicht nur kurdischen Milizen die Schuld am Angriff, sondern warnte auch Moskau, nicht die Kurden zu unterstützen, die den IS in Syrien erfolgreich bekämpfen.

»Ich möchte Russland, das der syrischen Kurdenmiliz YPG Luftunterstützung gibt, warnen, diese Terrorgruppe nicht gegen die unschuldige Bevölkerung Syriens und der Türkei einzusetzen«, sagte Davutoğlu am Donnerstag Reuters zufolge. »Russland hat den gestrigen Angriff verurteilt, aber dasreicht nicht aus. Alle, die Terrororganisationen für ihre Zwecke einsetzen wollen, sollen wissen, dass diese Terrorspielchen wie ein Bumerang zurückkehren und sie zuerst treffen werden«, so der türkische Premier weiter.

Buthaina Shaaban, politische Beraterin des syrischen Präsidenten, erklärte gegenüber RT, Mainstream-Medien und Politiker würden derzeit zahllose unbegründete Behauptungen über den Anti-Terror-Feldzug Russlands und Syriens in die Welt setzen.

»Was die syrische Armee in Zusammenarbeit mit der russischen Luftwaffe unternimmt, ist, den Terrorismus in Syrien zu bekämpfen«, sagte sie. »Und wir hoffen, dass sich andere Länder anschließen werden, denn dieser Terrorismus ist eine Bedrohung für die gesamte Menschheit.«

Die Kurdengruppen werden im Norden Syriens von den USA bei ihrem Kampf gegen den IS unterstützt. Unter den Bodentruppen, die in der Region gegen Dschihadisten kämpfen, zählen die Kurden zu den schlagkräftigsten, aber Ankara betrachtet sie als Terroristen.

Man werde sowohl in Syrien als auch im Irak Vergeltung für den Anschlag von Ankara üben, sagte Davutoğlu und kündigte weitere Luftangriffe gegen Kurden an. Das gelte auch für Stützpunkte der PKK im Norden Iraks und gegen YPG-Stellungen im Norden Syriens. Er erwarte von den NATO-Verbündeten Unterstützung in diesem Kampf.

Vehement fordert die Türkei ihre westlichen Partner zudem auf, entlang der türkisch-syrischen Grenze ein Überflugverbotdurchzusetzen.

Die Region ist in erster Linie von Kurden bewohnt. Ankara behauptet, diese Maßnahme würde dazu beitragen, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden und eine Verschlimmerung der Flüchtlingskrise in Europa zu verhindern.

Ein derartiges Flugverbot könne in Syrien zu »Libyen-ähnlichen Zuständen« führen, warnte hingegen die Sprecherin des russischen Außenministeriums. »Die Völkergemeinschaft hat ein derartiges Konzept bereits ausprobiert. Wie erfolgreich das war, lässt sich auch weit außerhalb Libyens beobachten – nämlich in Europa. Und schon bald auch außerhalb Europas«, so Sacharowa.

Es sei eine »gute Geschäftsstrategie«, immer schön Russland an allem die Schuld zu geben, sagte Sacharowa. Indem man Moskau als Aggressor hinstelle, könne man sich Haushaltsgelder sichern, um gegen die angebliche Bedrohung vorgehen zu können.

»Laut den Daten für 2017 enthält der Haushalt des US-Außenministeriums ungefähr eine Milliarde Dollar für den Zweck, gegen die vermeintliche Aggression Russlands vorzugehen. Die Ukraine wird sich darüber möglicherweise gefreut und mit weiteren finanziellen Zuwendungen gerechnet haben. Aber von dieser Summe werden nur 42 Millionen Dollar abgestellt, um Kiews militärische Bedürfnisse abzudecken«, sagte Sacharowa.





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Dienstag, 23. Februar 2016

US-Militär: »Sternenkrieger« rüsten auf

US-Militär: »Sternenkrieger« rüsten auf

Andreas von Rétyi

Der Antrag zum Budget der US-Luftwaffe für 2016 konzentriert sich diesmal auf den Weltraum. Die Militärs wollen den erdnahen Raum möglichst effektiv nutzen, um wachsenden Gefahren zu begegnen. Überall stehen die Signale auf Krieg, nicht selten hausgemacht. Zusammen mit den US-Geheimdiensten will die US-Luftwaffe ihre militärischen Weltraumsysteme in den kommenden Jahren »belastbarer« machen.

Im All stationierte militärische Verteidigungssysteme gibt es nun schon seit Jahrzehnten. Nachdem die berühmte SDI-Initiative Ronald Reagans beendet worden war, freute sich die Welt über das politische Tauwetter. Doch das SDI-Kind lief seither unter verschiedensten Namen weiter und wurde nie wirklich aufgegeben.
So geht es den Militärs jetzt erneut darum, die Aufrüstung auch im Weltraum voranzutreiben. Natürlich als Reaktion auf drohende Gefahren. Schließlich dreht sich alles um Verteidigung.

Das klingt einfach viel schöner als Angriff – und deshalb spricht man auch lieber vom Verteidigungsministerium als vom Kriegsministerium. Denn jeder muss sich verteidigen. Weil Angriff aber bekanntlich als die beste Verteidigung gilt, entstehen Kriege sehr schnell und immer aus ehrbaren Absichten heraus.

Winston Beauchamp ist der führende Pentagon-Berater in Sachen Weltraum. Zumindest sofern es um militärische Fragestellungen geht – also eher um schwarze Projekte als um Schwarze Löcher. Beauchamp ist unter anderem auch für die Koordination von militärischen Weltraumprojekten zwischen verschiedenen Regierungsbehörden zuständig.

Er bestätigt: Gegenwärtig wird im Angesicht der wachsenden Bedrohungen großen Wert darauf gelegt, die verschiedensten Programme jener »extraterrestrischen Art« zu optimieren und zuerweitern. Dabei gilt natürlich die »Weltraumsicherheit« als eine der aktuellen Pentagon-Prioritäten.

Vom Namen her noch am anschaulichsten im Gewirr von Kürzeln und Codes ist dabei der »Weltraumzaun« Space Fence, der künstliche Satelliten und Weltraummüll im Erdorbit verfolgen soll. Finanziert mit einem Milliardenbudget, soll das System im Jahr 2019 aktiviert und von zwei Basisstationen am Erdboden überwacht werden: einmal vom Kwajalein-Atoll auf den Marshall-Inseln aus, einmal von einer Radareinrichtung in Westaustralien. Im US-Haushaltsjahr 2017 soll auch ein neues Radarkonzept verfolgt werden, das unter anderem die Koordination von militärischen Einsätzen im Weltraum übernehmen soll.

Der Ausbau des militärischen Netzwerks im Kosmos umfasst sämtliche Bereiche, selbstverständlich auch die Kommunikation. So soll ein Paket von Satelliten erworben werden, die im extremen Hochfrequenzbereich arbeiten und eine störsichere militärische Kommunikation ermöglichen. Allerdings wird bereits für die Folgejahre bis 2021 angestrebt, diese AEHF-Satelliten durch ein weiterentwickeltes System abzulösen (Evolved AEHF).

Genauso soll ein Evolved SBIRS ins Leben gerufen werden, die nächste Generation von Raketenfrühwarnsatelliten. Damit soll nun endlich das bereits seit 30 Jahren betriebene Defense Support Program (DSP) abgelöst werden. Bereits mehrere Versuche dazu sind gescheitert – vorallem wegen zu hoher Kosten und mangelhafter Technologie.

Doch schon 1994 entschloss sich das Pentagon für eine Verstärkung der Frühwarnsysteme. Dies sei aufgrund der Erfahrungen aus dem Zweiten Golfkrieg geschehen.

SBIRS arbeitet mit einer gegenüber DSP ausgefeilten Infrarottechnik, um vor taktischen Kurzstreckenraketen, aber auch vor Waffensystemen mit langer Reichweite zu warnen.

Vor allem die Empfindlichkeit der Detektoren wurde gegenüber dem Vorgänger wesentlich verbessert. Die US-Luftwaffe will nun in den kommenden Jahren etwa 2,3 Milliarden Dollar in ein weiterentwickeltes Evolved SBIRS stecken. Hinzu kommen zahlreiche weitere Initiativen, um dasWeltraumnetzwerk so effektiv wie möglich werden zu lassen.

Das fängt bei neuen GPS-III-Satelliten an und endet bei Hyperschalltransportsystemen zum Schnelleinsatz von Waffen sowohl an jedem Punkt der Erde als auch im Erdorbit. Ob Killersatelliten, Funkstörsysteme oder leistungsstarke Weltraumlaser, das Militär zieht wieder alle Register.

So wie im Ersten Weltkrieg sogenannte »Fliegerpfeile« die Energie des freien Falls nutzten und am Erdboden verheerend wirkten, genau so ließe sich eine derartige Attacke auch aus dem Weltraum fahren.

Wolframstäbe sind widerstandsfähig genug, den Atmosphärenflug zu überstehen, und werden als bunkerbrechende Waffe diskutiert. Ob sie wirklich effizient sind, will der Pazifist in der Regel gar nicht wissen. Zwar durchschlugen bereits jene Fliegerpfeile mühelos einen Stahlhelm, doch die modernen Arsenale lassen ganz andere Kaliber zu, auch in Hochatmosphäre und Weltraum. Nicht zu vergessen die mächtige EMP-Waffe. Von Abrüstung jedenfalls keine Spur.

Die Spirale geht wieder nach oben. Von allen Seiten wird provoziert und gehetzt. Und jeder wirft dem anderen Propaganda vor. Als im vergangenen Juli die USA die meistgebaute US-AtombombeB61-12 testweise und ohne Sprengkopf über Tonopah im US-Bundesstaat Nevada abwarfen, hagelte es natürlich Kritik aus dem Ausland. Hier werde bereits der nukleare Krieg gegen Russland simuliert, der Test sei ein klares Signal, auch die eigenen Atomwaffen zu erneuern, so erklärte der russische Militärexperte Konstantin Siwkow damals.

Und aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es, diese Aktion sei verantwortungslos gewesen. Friedensaktivisten warnen vor einer Eskalation, die unmittelbar in einen Nuklearkrieg der Supermächte münden könne. Fakt ist, dass der uralte, wohl genetisch verankerte Irrsinn nie enden wird. Die menschliche »Zivilisation« steuert gegenwärtig zielstrebig auf eine Apokalypse zu, wenn nicht noch ein Wunder geschieht.





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Putin setzt Erdoğan schachmatt

Putin setzt Erdoğan schachmatt

Peter Orzechowski

Mit zwei genialen Zügen hat Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Herausforderer, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, schachmatt gesetzt: Erst hat er Syrien davon überzeugt, einer Waffenruhe zuzustimmen – und damit der Türkei den Vorwand zum Krieg genommen. Gleichzeitig hat er mit dem Einsatz taktischer Nuklearwaffen gedroht, sollten türkische und saudische Truppen in Syrien einmarschieren.

Der erste Zug: Syriens Präsident Assad hat den von den USA und Russland vereinbarten Waffenstillstand akzeptiert. Das meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana am Dienstag unter Berufung auf das Außenministerium in Damaskus. Der Kampf gegen den IS, den syrischen Al-Qaida-Ableger sowie andere mit diesen Gruppen verbundene Terrororganisationen ist von dieser Waffenruhe ausgenommen.
Die USA und Russland hatten sich am Montagabend auf einen Waffenstillstand geeinigt. Dieser soll am Samstag 0.00 Uhr Ortszeit (26. Februar 23.00 Uhr MEZ) beginnen. Alle Konfliktparteien sollten bis Freitagmittag erklären, ob sie die Bedingungen annehmen.

Die Opposition hatte zuvor erklärt, grundsätzlich für eine Waffenruhe zu sein. Es müsse aber unter anderem garantiert sein, dass Belagerungen in Syrien aufgehoben, Bombardements von Zivilisten eingestellt und Hilfslieferungen ermöglicht werden. Das teilte das Oberste Verhandlungskomitee (HNC) der Regimegegner mit.

Die Waffenruhe soll zur Wiederaufnahme der Anfang Februar ausgesetzten Genfer Friedensgespräche führen.

Im russischen Fernsehen erläuterte Wladimir Putin die Vereinbarungen. Er sagte: »Bis Mittag am 26. Februar haben alle in Syrien kämpfenden Seiten uns bzw. den amerikanischen Partnern ihrFesthalten an der Waffenruhe zu bestätigen. Russische und amerikanische Militärs werden gemeinsam anhand von Landkarten bestimmen, auf welchen Territorien solche Gruppierungen aktiv sind«, so der russische Präsident.

»Gegen diese werden die Streitkräfte Syriens, die russischen Streitkräfte und die von den USA angeführte Koalition keine Kampfoperationen ausführen«, sagte er.

»Die Oppositionellen werden ihrerseits ihre Kampfhandlungen und die der Gruppierungen, die sie unterstützen, einstellen. Was den Islamischen Staat, die Al-Nusra-Front und die anderen Terrororganisationen anbelangt, die vom UNO-Sicherheitsrat als solche anerkannt werden, so werden diese aus dem Regime der Waffenruhe völlig ausgeschlossen«, sagte der russische Staatschef. »Gegen sie werden weiterhin Schläge geführt.«

»Russland wird die erforderliche Arbeit mit Damaskus und der legitimen Staatsführung Syriens durchführen«, hieß es. »Wir rechnen damit, dass die Vereinigten Staaten das Gleiche mit ihren Verbündeten und den von ihnen unterstützten Gruppierungen tun werden.«

Der zweite Zug Putins wurde durch eine Veröffentlichung des mehrfach ausgezeichneten US-Journalisten Robert Parry publik. Er schrieb auf der Webseite infowars unter Berufung auf eineQuelle aus dem nahen Umfeld des russischen Präsidenten, Putin habe die Türkei und deren Verbündete davor gewarnt, mit Bodentruppen in Syrien einzufallen.

Russland werde einen solchen aggressiven Akt mit dem Einsatz taktischer Nuklearwaffen beantworten.

Parry schrieb: »Wenn die Türkei (mit Hunderttausenden Soldaten nahe der syrischen Grenze stationiert) und Saudi-Arabien (mit seiner hochentwickelten Luftwaffe) der Bedrohung folgen und militärisch intervenieren, um ihre Rebellen-Kunden vor einer machtvollen russisch unterstützten Offensive der syrischen Regierung zu schützen, welche die Al-Nusra-Front der al-Qaida inkludiert, dann muss Russland entscheiden, was zum Schutz der eigenen etwa 20 000 Militärangehörigen in Syrien zu tun ist.«

Er ergänzte: »Eine Quelle aus dem nahen Umfeld von Russlands Präsident Wladimir Putin erzählte mir, dass die Russen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan davor warnten, dass Moskau zum Einsatz taktischer Nuklearwaffen bereit sei, sollte dies angesichts eines türkisch-saudischen Angriffs zum Schutz der eigenen Truppen notwendig sein. Seit die Türkei ein Mitglied der NATO ist, kann jeder Konflikt wie dieser schnell zu einer ausgewachsenen nuklearen Konfrontation eskalieren.«

Schon vor zwei Wochen hatte die britische ZeitungIndependent berichtet, Saudi-Arabien verlege Truppen in die Türkei, vermutlich für eine Bodenoffensive in Syrien. Saudische Truppen und Kampfjets würden auf den türkischen Militärstützpunkt Incirlik verlegt, berichtete die Zeitung unter Verweis auf den türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu.

Vor wenigen Tagen hat Syriens Präsident Baschar al-Assad die Türkei und Saudi-Arabien ausdrücklich vor einer Entsendung von Bodentruppen nach Syrien gewarnt. »Wenn das passiert, werden wir sie als Terroristen behandeln«, sagte der syrische Präsident der spanischen Zeitung El País.

»Niemand hat das Recht, in Syrien zu intervenieren – das wäre eine Verletzung des Völkerrechts.« Sollten die Türkei oder Saudi-Arabien ihre Bodentruppen doch unter dem Vorwand derTerrorismusbekämpfung nach Syrien schicken, so würden die Syrer ihre Heimat verteidigen, sagte Assad. Er beschuldigte die Regierung in Ankara, seit Langem Terroristen nach Syrien einzuschleusen. »Die Türkei ist von Anfang an in Syrien involviert.«

Nun sieht es so aus, als ob Putins Schachzüge die Invasionspläne der beiden Verbündeten Türkei und Saudi-Arabien durchkreuzt hätten.







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Saudia-Arabien will syrischen Rebellen Luftabwehrraketen liefern

Saudia-Arabien will syrischen Rebellen Luftabwehrraketen liefern

Tyler Durden

Als am 30. September russische Kampflugzeuge vom syrischen Latakia aus erste Luftangriffe starteten, verschlechterte sich die Lage der syrischen Opposition massiv. Da die syrische Luftwaffe völlig veraltet und ständig auf Ersatzteile und intensive Wartung angewiesen war, stellte Russland eine der hochentwickeltsten und kampfstärksten Luftwaffen zur Verfügung, um gegen Rebellen zu kämpfen, die über keinerlei Luftverteidigungsfähigkeiten verfügten und Luftangriffen praktisch schutzlos ausgeliefert waren.

Ab Oktober begann das russische Verteidigungsministerium dann, einige Hundert Videoclips zu veröffentlichen, die russische Luftangriffe gegen verschiedene Ziele der Rebellengruppen und anderer Kämpfer dokumentierten. Auch der Kreml ging mit hochauflösenden Farbfotos und -filmen an die Öffentlichkeit. Sie zeigten Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi-34 und Langstreckenbomber bei ihren Einsätzen über Syrien. Die Opposition konnte sich dagegen kaum zur Wehr setzen.

Einen Monat lang – etwa von Mitte November bis Mitte Dezember – schien es dann, als behielte Präsident Obama recht. Die Fanfarenklänge im Zusammenhang mit der ersten Welle russischer Luftangriffe waren verklungen, der Vormarsch nordwärts in Richtung Aleppo war zum Stillstand gekommen. Die Offensive hatte sich offenbar festgefahren. Aber dann kreisten die Hisbollah-Kämpfer überraschend Aleppo ein, und die russische Luftwaffe war zu einer »Politik der verbrannten Erde« übergegangen, was den Kampf der bewaffneten Opposition gegen iranische Kräfte angeht.

Als sich abzeichnete, dass die größte Stadt des Landes bald von den loyal zu Assad stehenden Kräften zurückerobert werden würde, begannen die Türkei und Saudi-Arabien, ihre Handlungsoptionen abzuwägen. Ein Einsatz von Bodentruppen seitens Ankaras und Riads wäre für die USA und den Westen ein Albtraum. Eine direkte Konfrontation mit iranischen Truppen wäre praktisch unvermeidlich. Und sollte ein russisches Kampfflugzeug saudische oder türkische Stellungen angreifen, stünde die Welt am Rande eines globalen Konflikts, der die Industrienationen potenziell in einen Krieg hineinziehen könnte.

Bisher ist weder die Türkei noch Saudi-Arabien in Syrien einmarschiert, auch wenn Ankara gegenwärtig Stellungen der syrischen Volksverteidigungskräfte in der Region um Azaz beschießt. Es will die dortigen Kurden daran hindern, ihren Geländegewinn zu konsolidieren. Aber nach Äußerungen des saudischen Außenministers Adel al-Dschubeir könnte Riads nächster Schritt darin bestehen, den Rebellen Boden-Luft-Raketen zur Verfügung zu stellen, damit sich diese gegen russische Luftangriffe verteidigen könnten.

In einem Interview mit dem saudischen Außenminister Adel al-Dschubeir fragte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 20.Februar 2016: »Sind Sie da für, sy ri sche Re bel len mit Bo den-Luft-Ra ke ten aus zu stat ten?« Der Minister antwortete: »Ja. Wir glau ben, dass die Lie fe rung von Bo den-Luft-Ra ke ten die Macht ver hält nis se in Sy ri en ver än dern wird. Sie wer den der ge mä ßig ten Op po si ti on er mög li chen, Hub schrau ber und Flug zeu ge des Re gimes aus zu schal ten, die sie mit Che mie waf fen be schie ßen und bom bar die ren. Bo den-Luft-Ra ke ten wür den die Macht verhält nis se so ver än dern, wie sie sich sei ner zeit in Af gha nis tan ver än dert ha ben. Al ler dings muss man bei die ser Fra ge sehr vor sich tig sein, denn die se Waf fen dür fen nicht in die fal schen Hän de ge ra ten.«

Der Verweis auf den Einsatz von Chemiewaffen ist eine offensichtliche Finte. Es gibt nur einen Grund, moderne Luftabwehrraketen an die Rebellen zu liefern: Man will ihnen die Möglichkeit geben, russische Kampfflugzeuge abzuschießen. Und die folgende Antwort al-Dschubeirs auf die Frage nach den Beziehungen des Königreichs zu Russland bestätigt diese Einschätzung auf ganzer Linie:
»Von un se rem Dis sens über Sy ri en ab ge se hen, sind un se re Be zie hun gen zu Russ land sehr gut, und wir wol len sie wei ter aus bau en. Etwa 20 Mil lio nen rus si sche Staats bür ger sind Mus li me. Wie Russ land stre ben wir da nach, Ex tre mis mus und Ter ro ris mus zu be kämp fen, und wir sind bei de an sta bi len En er gie märk ten in ter es siert. Un se re Mei nungs ver schie den heit über Sy ri en ist eher tak ti scher als stra te gi scher Na tur. Wir wol len bei de ein ge ein tes, sta bi les Sy ri en, in dem alle Sy rer die glei chen Rech te ge nie ßen.«
Diese Behauptung ist sicherlich Unsinn. Syrien war bereits ein Staat, in dem die Bürger – etwas verkürzt gesagt – gleiche Rechte genossen. Das heißt nicht, dass Assad mit abweichenden Meinungen rücksichtsvoll und tolerant umging, wenn es seinen Machterhalt betraf. Aber im Vergleich mit anderen Ländern des Nahen Ostens, wo viele unterschiedliche religiöse Strömungen und Religionen nebeneinander leben, war die Lage in Syrien relativ stabil – bis Riad, Washington,Doha und Ankara beschlossen, sich die Ängste der verarmten Sunniten vor einem zu starken Einfluss des schiitischen Irans zunutze zu machen und sie aufzuhetzen.

Die Heuchelei und offensichtliche Absurdität dieser Äußerungen hat damit aber noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht. Dieses Interview gehört mit Abstand zu den ungeheuerlichsten Interviews der jüngsten Zeit, das mit einem saudischen Regierungsmitglied geführt wurde. Entscheidend ist aber, dass die Saudis offensichtlich bereit sind, den Rebellen Boden-Luft-Raketen zu liefern.

Es ist schwer zu beurteilen, ob die für heute angekündigte Feuerpause diese Pläne letztlich beeinflussen wird. Aber man sollte an Folgendes erinnern: Als die USA, die Türkei und die Saudis Flugabwehr-Lenkwaffen an die Opposition lieferten, um den Vormarsch gepanzerter Fahrzeuge der Regierungstruppen zu stoppen, endete das damit, dass die sogenannte Freie Syrische Armee (FSA) eine dieser Waffen einsetzte, um einen russischen Militärhubschrauber abzuschießen, der nach den Piloten des abgeschossenen russischen Kampfflugzeuges suchte.

Halten es die Saudis wirklich für eine gute Idee, die Rebellen in die Lage zu versetzen, die russische Luftwaffe zu beschießen? Und an welchem Punkt sind die sunnitischen Verbündeten Washingtons bereit, einzuräumen, dass dies möglicherweise ein gigantischer Fehler war, der Hunderttausenden Menschen das Leben kostete?

Aber am wichtigsten ist die Frage: Wann werden die USA und die NATO endlich zugeben, dass sie auf der falschen Seite der religiösen Kluft und daher auf der falschen Seite der Geschichte stehen?

Will das Pentagon wirklich bewaffnete sunnitische Extremisten, die die gleiche Ideologie wie der Islamische Staat und die Al-Nusra-Front vertreten, mit Waffen unterstützen, damit diese russische Kampfflugzeuge abschießen?




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Montag, 22. Februar 2016

Flüchtlingsinvasion und Kriegstrommeln

Flüchtlingsinvasion und Kriegstrommeln

Peter Orzechowski

Die berechtigten Proteste gegen die unbegrenzten Flüchtlingsströme übertönen ein Geräusch, auf das man hören sollte: die Kriegstrommeln. Überall werden Truppen verstärkt und Waffen angeschafft. Der IS rüstet zum Endkampf. Es riecht nach Krieg.

Wenn wir die Meldungen der letzten Tage betrachten, dann fällt auf, dass immer mehr von Krieg die Rede ist. Da warnt der Chef der schwedischen Armee, General Anders Brännström, vor einem großen Krieg in Europa unter schwedischer Beteiligung. Es sei durchaus denkbar, sagte der General kürzlich, dass Schweden »in wenigen Jahren« in Europa gegen einen »erfahrenen Gegner« in den Krieg ziehen werde.
Kriegsschauplatz Europa

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sieht eine wachsende Gefahr, dass es zwischen der Ukraine und Russland zu einem offenen Krieg kommt.

Russland habe nicht einen einzigen der vereinbarten Punkte aus dem Minsker Abkommen umgesetzt, erklärte Poroschenko in einem Interview mit der Bild-Zeitung gestern.

Er behauptet – ohne Belege anzuführen –, dass »8000 russische Soldaten in unserem Land mit russischen Kommandeuren« stünden, »neue Militärstandorte direkt an der Grenze« eingerichtet seien und »ständige Militärtrainings« stattfänden. Daher brauche sein Land mehr Waffen, auch aus Deutschland, zur Verteidigung des Landes.

Derselbe Kriegsschauplatz, die nächste Meldung: Für 2017 will das Pentagon nach aktuellen Zahlen ganze 3,4 Milliarden Dollar für Europa ausgeben – ein Vierfaches dessen, was bisher für das US-Militärbudget für Europa aufgewendet wurde. Das heißt: Panzer, schwere Geschütze, Soldaten und auch Kampfjets werden im Osten Europas stationiert.

Es ginge darum, »die NATO-Verbündeten gegen die russische Aggression zu unterstützen«, so US-Verteidigungsminister Ashton Carter. Dazu werden »Speerspitzen« gebildet und Truppenverbände aufgestockt. Die permanente Truppenpräsenz der NATO im Osten stieg von 15 000 auf 40 000 Soldaten.

Auch im hohen Norden Europas werden – unter dem Vorwand der Grenzsicherung – Truppen zusammengezogen. Die finnische Regierung will die Grenze zu Russland mit Militär sichern. Es sei dem Grenzschutz nicht mehr möglich, den Zustrom von Immigranten aus dem nahöstlichen und asiatischen Raum zu bewältigen, sagte Finnlands Verteidigungsminister Jussi Niinistö.

Bereits Ende September hatte der Verteidigungsminister mitgeteilt, dass die finnische Armee im Fall der Notwendigkeit für einen Assistenzeinsatz an der schwedischen Grenze bereitstehe.

Kriegsschauplatz Nahost

Die syrischen Kurden schlagen Alarm: Ankara unternimmt Versuche, die Grenze ins Innere des syrischen Territoriums zu verlegen. Auf einem von den Kurden veröffentlichten Video ist zu sehen, wie die Türken Fortifikationsanlagen auf syrischem Gebiet bauen, berichtete der russische TV-Sender RT am Dienstag auf seiner Internetseite.

»Am 22. Dezember wurde die Grenze von türkischen Soldaten überquert. Wir wiesen sie darauf hin, dass sie unsere Rechte verletzen. ›Wir erfüllen den Befehl des Kommandos‹, lautete die Antwort«, wie ein Kurde in einem Interview mit RT sagte. Kurz darauf hätten die Soldaten mit Bauarbeiten begonnen. Ortseinwohner erklären, dass sie ihren Boden nicht ohne Kampf aufgeben werden. Gleichzeitig haben die USA begonnen, einen Flugplatz in Nordsyrien zu einem Militärflughafen auszubauen. Ich hatte darüber bereits berichtet.

Die gleiche Region, die nächste Meldung: Innerhalb von 18 Monaten hat sich die Zahl der sogenannten fremden Kämpfer in den Reihen des Islamischen Staats auf 30 000 fast verdreifacht.Aus Westeuropa kommen über 5000 Dschihadisten.

Das berichtet jetzt The Soufan Group (TSG), ein in New York ansässiger Think Tank mit Vertretungen in London, Doha und Singapur. Im Vorstand und Expertenteam der Politikberatung ist hochrangiges ehemaliges Polizei- und Geheimdienstpersonal stark vertreten.

In dem Bericht, der bis Dezember 2015 reicht und offizielle Daten aus vielen Ländern sowie der Vereinten Nationen auswertet und zusammenfasst, ist von 27 000 bis 31 000 Personen aus 86 Ländern die Rede, die »nach Syrien und Irak gereist sind, um sich dem Islamischen Staat oder anderen gewalttätigen extremistischen Gruppen anzuschließen«. US-Geheimdienstkreise sprachen zuletzt ebenfalls von über 30 000 IS-Dschihadisten aus 100 Ländern. Der Zuwachs belege, so die TSG-Experten, dass internationale Anstrengungen, den Strom der Dschihadisten nach Syrien einzudämmen, nur begrenzten Erfolg haben.

IS-Dschihadisten: Der Terror kehrt nach Europa zurück

Besonders stark gestiegen ist trotz des Krieges gegen den Islamischen Staat die Zahl der Syrien-Dschihadisten aus Westeuropa. Vor anderthalb Jahren zählten die TSG-Berichterstatter etwa 2500 Personen mit westeuropäischen Pässen in den Rängen des IS. Heute hat sich ihre Zahl auf über 5000 mehr als verdoppelt. 3700 westeuropäische Dschihadisten kommen aus nur vier Ländern: 1700 aus Frankreich (Juni 2014: 700), je 760 aus Deutschland (270) und Großbritannien (400) und mindestens 470 aus Belgien (250). Die Zahl der Terrorkrieger aus Deutschland hat sich seit 2014 verdreifacht.

Besonderen Grund zur Unruhe müssen die schwedischen Behörden haben. Denn die Zahl der aus Schweden kommenden Syrien-Dschihadisten hat sich seit Juni 2014 von 30 auf heute 300 verzehnfacht. Wer vermutet, dass das etwas über den Stand der Integration im Super-Einwanderungsland Schweden aussagt, liegt wohl nicht ganz falsch.

Grund zur Beunruhigung für alle Europäer sollte die wachsende Zahl der Syrien-Rückkehrer sein. Die TSG-Experten schreiben für die westlichen Länder von einer Rückkehrquote von 20 bis 30 Prozent. Über 200 Syrien-Dschihadisten sind schon nach Deutschland zurückgekehrt, etwa 250 nach Frankreich, 350 nach Großbritannien, 115 nach Schweden, 118 nach Belgien, 70 nach Österreich und 62 nach Dänemark.

Besonders gefährdet ist Frankreich. Denn die Dschihadisten in Syrien und Irak finden sich nach Sprachgemeinschaften zusammen. Besonders groß ist eben die Zahl der frankophonen Dschihadisten aus Frankreich, Belgien, der Schweiz (57), Nordafrika und dem frankophonen Subsahara-Afrika. Die Pariser Tageszeitung Le Figaro schrieb kürzlich von regelrechten »frankophonen Schockbataillonen des Islamischen Staats«.

Die seien von besonderem Hass auf Frankreich beseelt, hätten sich beim IS einen Ruf als harte Kämpfer erworben und bereiteten sich derzeit auf Kamikaze-Operationen vor, so wie am 13. November in Paris. »Sie haben nur ein Ziel: das Land, das sie verlassen haben, noch mehr zu terrorisieren und in einem Land zu leben, das vollständig von der Scharia regiert wird. Sie glaubeneisenhart an ihr Projekt und sind zu allem bereit, um es zu erzwingen«, zitiert Le Figaro einen belgisch-palästinensischen Experten, dem es im Juni 2014 gelang, die Syrien-Dschihadisten zu infiltrieren.

Ein wachsendes Dschihadisten-Problem haben auch die kleinen Westbalkanländer, die derzeit 875 Syrien-Kämpfer stellen. 800 von ihnen, also fast alle, kommen aus Albanien, Bosnien, Kosovo und Mazedonien.

Schon in den 1990er-Jahren hatten die Balkanländer auswärtige Dschihadisten angezogen. Seither gibt es dort extremistische Netzwerke und eine große Zahl von Sympathisanten, die der Islamische Staat jetzt nutzen will, so der TSG-Bericht. Der Balkan, historisch der Korridor zwischen Europa und dem Orient, ist längst eine Art Transitzentrum für Dschihadisten auf dem Weg nach Syrien. Die Europäische Union hat ein wachsendes Dschihad-Problem direkt vor ihrer Haustür. Auch darüber habe ich hier schon ausführlich berichtet.

IS-Zentrum Kosovo

Das europäische Land, aus dem gemessen an der Bevölkerungsgröße die meisten Dschihadisten kommen, ist der Kosovo: Der Pariser Tageszeitung Le Monde zufolge halten sich derzeit 300 Gotteskrieger aus dem Kosovo in Syrien und Irak auf. 60 weitere Gotteskrieger aus dem Kosovo sollen schon ums Leben gekommen sein. 360 Dschihadisten − für ein Land mit nur 1,8 Millionen Einwohnern ist das eine dramatisch hohe Zahl.

Beunruhigend dabei ist: Seit der Trennung von Serbien 1990 und auch seit seiner Unabhängigkeit 2008 steht Kosovo mehr oder weniger unter der Vormundschaft der Vereinten Nationen und der EU. UNO, NATO und EU haben den kosovarischen Staat sozusagen geschaffen. Was nicht verhindert hat, dass jetzt »die Versuchung des radikalen Islamismus Kosovo erreicht«, wie Le Monde es formuliert.

»In dem mehrheitlich muslimischen Land kann man jetzt die Rückkehr religiöser Frömmigkeit beobachten«, so das Blatt. Unter dem Deckmantel humanitärer Arbeit betreiben saudische Nichtregierungsorganisationen wahhabitische Mission, gibt Le Monde einen ausländischen Diplomaten wieder. Mit Wahhabiten und Salafisten kommen Gewaltprediger in das kleine Westbalkanland.

Der Golf-Arabische Einfluss im Kosovo geht auf die Zeit unmittelbar nach dem Kosovo-Krieg zurück. Wahhabiten und Salafisten aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten nutzten das staatliche Vakuum der Nachkriegszeit, um im Kosovo ihren extremen Islam zu verbreiten. Mit Geld vom Golf wurden Moscheen gebaut, in die dann die Gläubigen gelockt wurden, die dafür, soLe Monde, ebenfalls Geld erhielten. Imame wurden vor allem in Saudi-Arabien und Ägypten ausgebildet, schreibt das Blatt.

Kriegsschauplatz Fernost

Säbelrasseln auch im Fernen Osten: Japan versetzt wegen der Satellitenpläne Nordkoreas sein Militär in Alarmbereitschaft. Mitten in Tokio – zwischen Wolkenkratzern – hat die japanische Regierung sogar Patriot-Abwehrraketen aufstellen lassen. Die Regierung kündigte am Mittwoch an, die Trägerrakete gegebenenfalls abzuschießen, wenn sie eine Bedrohung für Japan darstelle.

Nordkorea hatte nach UN-Angaben mitgeteilt, zwischen dem 8. und 25. Februar einen Satelliten ins All schießen zu wollen. Südkorea drohte der Regierung in Pjöngjang mit Konsequenzen. Nordkorea werde einen »hohen Preis« zahlen, wenn es seine Satellitenpläne vorantreibe, erklärte das Präsidialamt. Die Vereinigten Staaten und andere Regierungen vermuten, dass es sich bei solchen Vorhaben um verdeckte Raketentests handelt.

Das neue Jahr hatte schon mit einem schlechten Omen für die koreanische Halbinsel und für ganz Nordostasien begonnen: Das stalinistische Regime in Nordkorea will nach eigenen Angaben bei einem unterirdischen Test auf dem Versuchsgelände Punggye-ri seine erste Wasserstoffbombe gezündet haben – sozusagen als leicht verfrühtes Geburtstagsgeschenk für den »geliebten Führer« Kim Jong-Un.

Denn zum Geburtstag am 8. Januar und zum Start des neuen Jahres soll der sich angeblich einen »mitreißenden Explosionsknall« gewünscht haben, das schreibt jedenfalls die normalerweise sachlich-zuverlässige Londoner Wochenzeitung The Economist auf ihrer Internetseite. Inzwischen ist es wieder ruhig geworden um den angeblichen Test. Aber auch dieser Vorfall zeigt, wie sehr hier mit dem Feuer gespielt wird.

Die USA hatten daraufhin einen strategischen B-52-Bomber mit nuklearen Cruise Missiles nach Südkorea verlegt. Nordkorea hatte prompt mit einer nuklearen Antwort auf die Einschüchterungsversuche der USA gedroht. »Unsere Antwort: Atom gegen Atom« lautete der Aufmacher der zentralen nordkoreanischen Zeitung Rodong Sinmun, in der die Korea-Politik der Vereinigten Staaten verurteilt wurde. Die USA bringe »die Situation an den Rand eines Krieges«, heißt es im Artikel.

Formell befinden sich die USA und Nordkorea immer noch im Kriegszustand: Der bewaffnete Konflikt 1950 bis 1953 auf der Halbinsel Korea war mit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens zu Ende gegangen. Washington weigert sich, einen Friedensvertrag mit Pjöngjang zu schließen und offizielle Beziehungen aufzunehmen. In Südkorea sind 28 000 US-Soldaten stationiert, die dieses Land »vor der Bedrohung aus dem Norden« schützen sollen. In Erwiderung darauf verstärkt Nordkorea seine Kräfte »der nuklearen Eindämmung«.

Die gleiche Region, die nächste Meldung: Japan erwägt die Entsendung seiner Flotte ins Gebiet der umstrittenen Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer, falls sich chinesische Schiffe den Inseln nähern, erklärte der japanische Verteidigungsminister Gen Nakatani. Die Senkaku-Inseln werden von Japan, China und Taiwan unabhängig voneinander beansprucht. »Falls die Situation durch den Küstenschutz nicht mehr geregelt werden kann, werden die Selbstverteidigungseinheiten zum Eingriff aufgefordert«, sagte Nakatani gegenüber dem Sender NHK.

Der japanisch-chinesische Konflikt um die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer spitzte sich 2012 zu, nachdem die japanische Regierung drei der fünf Inseln von einem japanischenPrivatbesitzer gekauft hatte. China hält die Inseln gleichzeitig für sein eigenes Hoheitsgebiet.

Es wird also gedroht und provoziert, aufmarschiert und hochgerüstet, wo immer sich die beiden Blöcke USA/NATO und China/Russland gegenüberstehen. Mancher mag einwenden, das sei schon zu Zeiten des Kalten Krieges so gewesen.

Das mag auf den ersten Blick zutreffen. Bedenken wir aber die neue Art der Kriegführung wie Terror, Destabilisierung, Chaos und Migrationswaffe, dann erkennen wir, dass wir über das Stadium eines Kalten Krieges längst hinausgekommen sind. Die globale Auseinandersetzung hat begonnen – und sie verschärft sich von Tag zu Tag.




Wer profitiert vom Krieg gegen den Terror?
Amerika hat sich seit dem 11.9.2001 an einen permanenten Kriegszustand gewöhnt. Nur ein kleiner Teil der Gesellschaft - darunter viele arme Jugendliche vom Land, die zur Armee gehen - kämpft und stirbt, während eine fest etablierte nationale Sicherheitselite zwischen hohen Posten in Staatsapparat, Auftragsfirmen, Denkfabriken und Fernsehstudios rotiert.


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