Medienmanipulation: Seymour Hersh deckt weitere Syrien-Lügen auf
Jonathan Cook
In einem zweiten, faszinierenden Essay schreibt Enthüllungsjournalist Seymour Hersh die Geschichte des Sarin-Giftgasangriffs neu, der vergangenen August in Ghuta bei Damaskus stattfand. Wie immer greift Hersh auf Quellen aus den amerikanischen Nachrichtendiensten zu, um aufzuzeigen, was tatsächlich geschah. Das Fazit: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit war die Türkei für den Angriff verantwortlich. Ankara hoffte, Barack Obama so zum Eingreifen zu zwingen. Der US-Präsident hatte gesagt, bei einem Einsatz von Chemiewaffen wäre eine »rote Linie« überschritten und die USA wären zum Eingreifen gezwungen. Würde die Regierung Baschar al-Assad durch das US-Militär gestürzt, könne man Syrien in einen Satellitenstaat verwandeln, so die Annahme in der Türkei.
Wie schon der frühere Artikel wird auch dieser vermutlich größtenteils unbeachtet bleiben, erschien er doch in der wenig bekannten britischen Literaturzeitschrift London Review of Books. Erneut konnte Hersh offenbar keine Mainstreampublikation finden, die bereit war, seinen Artikel abzudrucken.
Ich schätze, dass die liberalen Medien erneut diese verblüffenden und wichtigen Enthüllungen ignorieren werden und sie stattdessen zusammen mit all den anderen Beweisen über Menschenrechtsverstöße des Westens ins Gedächtnis-Loch werfen. Experten und Analysten werden uns auch weiterhin im Brustton der Überzeugung erklären, dass Assad den Angriff von Ghuta ausübte, und dabei Hershs Erkenntnisse nicht berücksichtigen.
Warum haben die New York Times, die Washington Post und der Guardian Hershs Ermittlungen so gründlich ignoriert? Mir scheint der Grund dafür zu sein, dass Hersh zeigt, dass die Außenpolitik der Regierung Obama genauso kriminell ist wie die der Vorgängerregierung um George W. Bush.
Was hat Hersh herausgefunden? Hier die zentralen Erkenntnisse:
Dass Obama so plötzlich zurückruderte, was den angedrohten Militärschlag gegen Assad anging, lag auch an der chemischen Analyse des Sarins, das in Ghuta zum Einsatz kam. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die chemische Signatur nicht zu den Giftgasbeständen im Besitz desAssad-Regimes passte.
Anders als von den USA behauptet, wusste das Weiße Haus, dass die syrischen Rebellen über Einrichtungen zur Herstellung chemischer Waffen verfügten. Ermittler der Vereinten Nationen halten die syrische Opposition für die wahrscheinlichen Verantwortlichen hinter Chemiewaffenangriffen vom April und Mai 2013:
»Seit Frühjahr 2013 wussten die Geheimdienste der Amerikaner und Briten, dass einige Rebelleneinheiten in Syrien an Chemiewaffen arbeiten. Am 20. Juni erstellten Analysten des Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA) ein streng geheimes Papier für den stellvertretenden DIA-Leiter David Shedd. In dem fünfseitigen Briefing heißt es, dass die Al-Nusra-Front über Möglichkeiten der Sarinherstellung verfüge.«
Außenminister John Kerry hatte nach Ghuta angedeutet, dass die USA einen kleinen Militärschlag vorbereiten. In Wahrheit orientierte sich das Weiße Haus in seinen Vorbereitungen an der »Shock And Awe«-Strategie, die gegen Saddam Hussein zum Einsatz kam:
»Unter dem Druck des Weißen Hauses entwickelte sich der Angriffsplan zu einem ›Monsterschlag‹: Zwei Geschwader B-52-Bomber wurden auf Flugplätze in der Nähe Syriens verlegt, außerdem wurden mit Tomahawk-Marschflugkörpern bewaffnete U-Boote und Kriegsschiffe entsandt. ›Jeden Tag wurde die Liste der Ziele länger‹, sagte mir der ehemalige Geheimdienstler. Die Liste wurde so lang, weil die Aufgabe lautete, ›Assad sämtlicher militärischer Fähigkeiten zu berauben‹, so der ehemalige Geheimdienstler. Zentrale Ziele waren Stromwerke, Öl- und Erdgaslager, alle bekannten Logistikzentren und Waffenlager, alle bekannten Kommando- und Kontrolleinrichtungen und alle bekannten Militär- und Geheimdiensteinrichtungen.«
Die USA entwickelten gemeinsam mit der Türkei, Saudi-Arabien und Katar die so genannte »Rattenlinie«, geheime Schmuggelkanäle, über die sie die syrischen Rebellen mit Waffenversorgten – Waffen aus den »befreiten« Arsenalen Gaddafis in Libyen:
»Die Rattenlinie wurde Anfang 2012 genehmigt und diente dazu, von Libyen aus über die südliche Türkei und die Grenze nach Syrien die Opposition mit Waffen und Munition zu versorgen. Viele der Kämpfer in Syrien, die letztlich die Waffen in die Hände bekamen, waren Dschihadisten, einige davon mit Verbindungen zu al-Qaida. […] Gemäß der Vereinbarung stellten die Türkei, Saudi-Arabien und Katar die finanziellen Mittel. Die CIA war, unterstützt vom MI6, dafür verantwortlich, die Waffen aus Gaddafis Arsenalen nach Syrien zu transportieren. […] Geleitet wurde die Operation von CIA-Direktor David Petraeus, der kurz darauf zurücktreten sollte, als bekannt wurde, dass er ein Verhältnis mit seiner Biografin hatte.«
Das US-Konsulat in Libyen – das, wo Botschafter Christopher Stevens getötet wurde – sollte für die Rattenlinie logistische Hilfestellung leisten. Das war auch der Grund, weshalb das Konsulatangegriffen wurde:
»›Einziger Auftrag des Konsulats war es, für den Transport der Waffen Schutz zu liefern‹, sagte der ehemalige Geheimdienstler, der den Anhang gelesen hat. ›Politische Aufgaben hatte es keine.‹ […] Washington beendete die Beteiligung der CIA an dem Waffenschmuggel aus Libyen nach dem Angriff auf das Konsulat abrupt, aber die Rattenlinie blieb weiter aktiv. ›Die Vereinigten Staaten hatten nicht länger die Kontrolle darüber, was die Türken den Dschihadisten zukommen ließen‹, so der ehemalige Geheimdienstler. Innerhalb weniger Wochen gelangten bis zu 40 tragbare Abschussvorrichtungen für Boden-Luft-Raketen, so genannte Manpads, in die Hände syrischer Rebellen. Am 28. November 2012 meldete Joby Warrick von der Washington Post, dass die Rebellen am Vortag in der Nähe von Aleppo einen syrischen Transporthubschrauber abgeschossen hatten, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Manpad. ›Die Regierung Obama hat sich standhaft dagegen gesperrt, syrische Oppositionskräfte mit derartigen Raketen auszurüsten, und davor gewarnt, dass derartige Waffen in die Hände von Terroristen fallen könnten, die sie dazu nutzen würden, Passagierflugzeuge abzuschießen‹, schrieb Warrick«
Ende 2012 gelangten die USA zu der Einschätzung, dass die Rebellen den Bürgerkrieg verlieren. Deshalb fuhren sie ihre Beteiligung an der Rattenlinie zurück. Hauptverlierer war der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan:
»Als Amerika beschloss, die CIA nicht länger die Waffenlieferungen nach Syrien unterstützen zu lassen, stand Erdoğan politisch und militärisch gefährdet da. ›Eines der Themen bei diesem Mai-Gipfel war, dass die Türkei den einzigen Weg darstellt, wie die Rebellen in Syrien versorgt werden können‹, sagte der ehemalige Geheimdienstler. […] Ohne militärische Unterstützung der Rebellen durch die USA, so der ehemalige Geheimdienstler, ›würde Erdoğans Traum, Syrien zum Satellitenstaat zu machen, verpuffen. Seiner Meinung nach lag das Scheitern an uns. Gewinnt Syrien den Krieg, werden sich die Rebellen möglicherweise an ihn wenden, das weiß er, denn wo sollen sie denn sonst hin? Damit hätte er schlagartig Tausende von Radikalen vor der Haustür.‹«
Also konzentrierte sich Erdoğan darauf, aus Obamas »roter Linie« – der Verwendung von chemischen Waffen durch Assad – Kapital zu schlagen und die USA dazu zu zwingen, Syrien zuattackieren:
»Alles wäre vorbei, wenn er die Dschihadisten nicht länger unterstützt, das wusste Erdoğan. Die Saudis könnten den Krieg nicht fördern, das scheiterte an den Entfernungen und den damit verbundenen logistischen Schwierigkeiten, Waffen und Vorräte zu bewegen. Erdoğan konnte nur hoffen, ein Ereignis herbeizuführen, das für die USA ein Überschreiten der roten Linie darstellte. Aber Obama hatte nicht reagiert auf die früheren Chemiewaffenangriffe vom März und April. […] ›Wir wissen inzwischen, dass es eine verdeckte Operation von Erdoğans Leuten war, die Obama über die rote Linie stoßen sollte‹, sagte der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter. ›Sie mussten einen Gasangriff in Damaskus oder bei Damaskus eskalieren, wenn die UNO-Inspekteure dort waren.‹ Die Inspekteure waren am 18. August eingetroffen, um Meldungen über frühere Gasangriffe nachzugehen. ›Vereinbart war etwas Spektakuläres. […] Ändert sich Obamas Politik nicht radikal, wird sich die Türkei auch weiterhin in den syrischen Bürgerkrieg einmischen.‹«
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