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Freitag, 18. Dezember 2015

Dämon Putin und Zauberwort »Dritter Weltkrieg«

Dämon Putin und Zauberwort »Dritter Weltkrieg«

Stephan Berndt

Was die Berichterstattung über Wladimir Putin und die Krise mit Russland betrifft, so kann man in unseren etablierten Massenmedien seit geraumer Zeit eine »Berichterstattung« beobachten, die sequenzweise an jene aus »dunkelster Vergangenheit« erinnert oder an jene aus der DDR. Die einseitige, negativ-emotionalisierte Darstellung Putins spottet dabei jedem wahren demokratischen Geist.

»Machtmensch Putin«

Gestern war es wieder einmal so weit. Wieder einmal gab es im Fernsehen eine »Dokumentation« über den aktuellen Lieblingsbösewicht des Westens: Wladimir Putin. Zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr brachte das ZDF in der Sendereihe ZDFzeit die »Doku« »Machtmensch Putin«.

Obwohl: Doku bzw. Dokumentation darf man das eigentlich nicht mehr nennen, denn die Machart war – wie so oft bei unserem Lieblingsbösewicht – schlichtweg zu oberflächlich und stellenweise auch viel zu reißerisch.

Bilder, Musik und Sprache waren einfach viel zu oft darauf ausgerichtet, Emotionen zu schüren. Da ging es nicht um Information, sondern um Feeling. Das wird Ihnen jeder Werbefachmann und Schauspieler bestätigen. Das zu bestreiten wäre lächerlich und amateurhaft.

Andererseits »darf« man solche Sendungen aber auch nicht als »Propaganda« bezeichnen. Denn die staatlich finanzierten politisch korrekten Besserwisser sind ja quasi per definitionem unfähig, Propaganda zu betreiben. »Propaganda« – oh, welch schlimmes Wort. Wer will schon in braune Fußstapfen treten und sich dabei sein Armani-Schuhwerk einsauen?

Eyecatcher Putin

Wer in den letzten Monaten und Jahren insbesondere im Fernsehen die »Berichterstattung« über die neue Krise mit Russland verfolgt hat, dem werden schon seit Langem ein durchgängiges Muster und einige stets wiederholte Darstellungstechniken aufgefallen sein.

So wird zum einen nahezu ausnahmslos die Person Putin in den Vordergrund gestellt, und zum anderen wird innerhalb der Person Putins die Aufmerksamkeit auf das gelenkt, was irrational, bedrohlich und unvernünftig ist, sein könnte oder sein soll. Das Schreckgespenst Putin wird benutzt, um jeder eingehenderen Erörterung der russischen Geostrategie, der geopolitischen Weltlage und den geostrategischen Absichten der USA aus dem Wege zu gehen.

Putin böse – Rest egal

So primitiv diese Instrumentalisierung Putins als Eyecatcher ist, so verblüffend sind die Konsequenz und die Ausdauer, mit denen man in unseren Medien auf diese Methode setzt. Bei genauerem Hinsehen wird diese Penetranz der Fantasielosigkeit aber durchaus plausibel: Es handelt sich um Methoden, deren Wirksamkeit die Massenpsychologie schon seit 100 Jahren bewiesen hat.

Es geht offenkundig nicht darum, wirklich zu informieren, sondern darum, einen immer größeren Teil des – leider wohl eben doch teilweise etwas »blöden« – Volkes davon zu überzeugen, dass Putin »böse« ist. Und wenn irgendwann genug Bürger glauben, »verstanden« zu haben, dass Putin böse ist, erübrigt sich auch eine Diskussion über etwaige geostrategische Hintergründe.

Irgendwann erwächst dann aus dieser Form der »Berichterstattung« ein »gesundes Volksempfinden«, und die kritischeren Geister werden ganz automatisch vorsichtshalber etwas kleinlauter. Das ist massenpsychologisches 08/15. Tausendmal erprobt. Just wait and see. »Gesundes Volksempfinden« bedeutet: »Wir haben ein Recht darauf, nicht weiter nachzudenken.« Es ist die Absolution für die Verdummten und Komplettmanipulierten.

Wenn Putin hinkt oder blinzelt – oder in der Nase bohrt

Eine wichtige Ingredienz dieser Putin-Verteufelungs-Suppe ist aber auch immer ein irgendwie gearteter Hinweis darauf, dass er letztlich nicht wirklich gefährlich werden kann. Sei es, dass erkrank ist, krank sein könnte oder war (Artikel in DIE WELT am 15. Dezember 2015: »Warum bewegt Putin seinen rechten Arm nicht?«), sei es, dass er im Kreml mächtige Rivalen hat, sei es, dass ihm der niedrige Ölpreis bald das Genick brechen wird, seien es Attentate, die man auf ihn plant, vereitelt hat usw., oder sei es, dass Putin am Ende gar nicht weiß, was er denn eigentlich will.

Unter dem Strich lautet die Formel: »Putin ist zwar so böse, dass wir ihn im Auge behalten und an die kurze Leine nehmen müssen. Aber letztlich ist er auch nicht so böse, dass wir Angst haben müssten.«

Zauberwort »Dritter Weltkrieg«

Ein Zauberwort, das bei alledem eine Schlüsselrolle spielt, lautet »Dritter Weltkrieg«. Führende Vertreter der NATO und unsere Massenmedien vermeiden dieses böse Wort im Zusammenhang mit Putin und der neuen Krise mit Russland so konsequent, als hätte jemand ein Copyright darauf, welches er um keinen Preis herausrücken will.

Nicht so bei den Russen. Russische Spitzenpolitiker und russische Massenmedien sagen ganz offen, wie sie die geostrategische Weltlage sehen, und dabei wird deutlich, dass man sich ganz real mit der Gefahr eines Dritten Weltkrieges mit der NATO konfrontiert sieht – und zwar infolge einer Einkreisungspolitik, die im Wesentlichen auf das Betreiben der USA zurückgeht. Im Klartext: Russland ist dabei, sich auf einen Dritten Weltkrieg vorzubereiten. Nicht dass es ihn unbedingt will, aber es wäre dazu bereit, wenn man im Kreml glaubt, »es müsse sein«. Zwangsläufig ergibt sichdaraus, dass Putin und seine Mitstreiter kaum warten würden, bis die »Einkreisung Russlands« durch USA und NATO perfekt ist.

Alles »nur« Verschwörungstheoretiker im Kreml?

Sind Putin und sein Kreml-Team also alle Verschwörungstheoretiker? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Doch am Ende wären es Verschwörungstheoretiker mit Atomwaffen, wobei die Betonung natürlich eindeutig aufAtomwaffen läge. Die Diagnose »Verschwörungstheoretiker« bringt uns im Fall des Kremls also keinen Millimeter weiter. Im Gegenteil.

In unseren Medien wird das alles dann gerne in einem Nebensatz verkürzt auf: Russland fühlt sich vom Westen bedroht. Oh ja. Sehr richtig. Das ist der Fall. Nur wird verschwiegen, dass Russland bereit ist, militärisch gegen die NATO zuzuschlagen, selbst wenn dabei Atomwaffen zum Einsatz kämen. Auch mit Atomwaffen? Oh ja. Denn der Kreml sieht nicht nur Russland in seiner Existenz bedroht! Aber um das zu begreifen, muss man sich die Reden von Putin & Co genauer durchlesen. Das aber macht eben keiner. Hitlers Mein Kampf hat seinerzeit übrigens auch keiner gelesen. Eine zufällige Parallele? Wer weiß?

Würden unsere Medien ehrlich, differenziert, dauerhaft und auf breiter Front darüber berichten, dass sich Russland aktiv auf einen drohenden Dritten Weltkrieg vorbereitet, –würde es den Durchschnittsbundesbürger auf Deutsch gesagt einen feuchten Dreck interessieren, wie böse Putin tatsächlich ist oder nicht.

Alles was dann 80 Millionen Deutsche und – ja – wohl auch ein paar Hunderttausend Flüchtlinge noch interessieren würde, ist, dass dieser Krieg verhindert wird. Punkt. Denn dieser Krieg würde um gigantische Dimensionen böser als Putin ... Und dazu gehörte selbstverständlich auch, dass manauch die Kriegstreiber im Westenbloßstellt, benennt und in den Ruhemodus runterschaltet.

Der »schwarzmagische« Dreiklang

Es gibt in unseren Medien im Hinblick auf Wladimir Putin also so etwas wie einen schwarzmagischen Dreiklang: Erstens die Verteufelung Putins als Ablenkungsmanöver. Zweitens die Darstellung Putins als letztlich doch kleinen Teufel, dem man ruhig auf den Schwanz treten und auf die Hörner schlagen darf. Und dann drittens die Verheimlichung der Tatsache, dass dieses Malträtieren des kleinen Teufels Putin bereits im Vorhof der Hölle stattfinden könnte – oder schon stattfindet.

Kurz: Das Problem ist womöglich gar nicht der kleine (oder mittelgroße) Teufel Putin, sondern dass wir – der Westen – dabei sind, gefährliche Faxen im Vorhof der Hölle zu veranstalten.






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