Vampir-Drohnen«: Pentagon-Denkfabrik plant ICARUS
Andreas von Rétyi
Die führende Denkfabrik des US-Verteidigungsministeriums zielt nun auf die Entwicklung einer neuen Form von Drohnen ab. In einem aktuellen Projekt will die DARPA gespenstische Flugkörper schaffen, die ihren Auftrag zuverlässig erfüllen und sich dann selbst im Nichts auflösen, beispielsweise bald nach Anbruch der bürgerlichen Dämmerung. Auf den Spuren der Spurlosigkeit.
Dahinschmelzen wie Butter in der Sonne, dieses Bild erhält fürs Pentagon nun eine ganz eigene Bedeutung. Die technologischen Vordenker des US-Verteidigungsministeriums haben neue Visionen, was eine Drohne alles können muss – wenn auch nicht unbedingt jede Drohne gleichermaßen.
Bei so manchen Einsätzen scheint es den Betreibern allerdings wünschenswert, könnte sich ihr ohnehin ferngelenktes Fluggerät nach erfolgtem und möglichst erfolgreichem Einsatz einfach »in Luft« auflösen.
Bestenfalls keine Spuren hinterlassen, das kann vor allem bei militärischen wie auch geheimdienstlichen Missionen von entscheidendem Vorteil sein.
Doch die Pentagon-Denkfabrik DARPA hebt demgegenüber lieber die praktikable Seite hervor. Man stelle sich Drohnen vor, die bei Naturkatastrophen und Rettungseinsätzen die nötigen Versorgungspakete überbringen. Da müsste nichts mehr zeitaufwendig ausgepackt oder entsorgt werden; nach Ablieferung der Güter eliminierte sich das kleine und kostengünstige Fluggerät selbst – eine »Einwegdrohne« also.
Das Ganze soll in rund 26 Monaten nach einer zweistufigen Entwicklungsphase realisiert sein. Der Vertrag mit den Entwicklern muss allerdings noch unterschrieben werden. Kostenpunkt für dieUmsetzung: rund acht Millionen US-Dollar. Projektname: ICARUS.
Hinter dem Akronym verbergen sich die wesentlichen Aufgaben. Inbound, Controlled, Air-Releasable, Unrecoverable Systems, so lautet die Langform davon, somit also in etwa ein kontrolliertes System zur Anlieferung, das in der Luft ausgesetzt werden kann, jedoch nicht wieder einsetzbar ist.
Natürlich spielt der Name auf die griechische Sage von Ikarus an, der mit seinem Vater Dädalus aus dem Labyrinth des Minotauros floh. Für die einzig mögliche Flucht auf dem Luftweg bastelte Dädalus für sich und seinen Sohn Flügel aus Wachs und Federn.
Allerdings ignorierte Ikarus die eindringliche väterliche Warnung, der Sonne nicht zu nahezukommen, und prompt schmolzen die Flügel des Ikarus, der daraufhin ins Meer stürzte.
Genau diese Unbeständigkeit ist das erklärte Ziel der DARPA-Konstrukteure. Sie arbeiten mit verschwindenden programmierbaren Ressourcen – Vanishing Programmable Resources (VAPR), um ihre Drohnen absichtlich mit vergänglicher Elektronik auszustatten. Gerade in modernen Kampfsituationen spielt Elektronik selbstverständlich eine Schlüsselrolle, wobei die DARPA erklärt,es sei nahezu unmöglich, später dann jedem einzelnen Gerät nachzuspüren und es aufzufinden.
Daher sammelten sie sich unbeabsichtigter Weise mehr und mehr in der Umgebung an. Und das ist natürlich nicht schön. Das Argument wirkt eher zynisch – da werden bei kriegerischen Aktionen weite Landschaften verwüstet, Ansiedlungen zerstört, Menschen getötet, aber man macht sich Sorgen um den Umweltschutz.
Sicher ist Ökologie nicht der Hauptgrund, im Pentagon nun über Technologien nachzudenken, die sich nach einiger Zeit zersetzen. Natürlich muss das auch die DARPA eingestehen, und wenn nur durch die Erwähnung einiger weiterer, wohl triftigerer Gründe für die Neuentwicklung.
So würden möglicherweise die militärisch genutzten Gerätschaften von Unbefugten gefunden und dann auch verwendet, dabei komme es dann nicht nur zur Verletzung geistigen Eigentums, sondern auch zur Preisgabe des erreichten technologischen Vorteils.
VAPR versucht, elektronische Komponenten zu schaffen, die unter anderem per gezieltem Auslösereiz in einer kontrollierten Weise physisch verschwinden, wobei diese vergänglicheElektronik zwar vergleichbare Leistungen typisch kommerzieller Massenelektronik ausweisen soll, jedoch kombiniert mit einer programmierbaren Existenzdauer, die entweder direkt bestimmt wird oder aber in Abhängigkeit vom Einsatzgebiet individuell reagiert.
Ganze Netzwerke von Sensoren, die sich dann in ihrer natürlichen Umgebung auflösen, medizinische Diagnosegeräte, die Behandlung und Gesundheitsüberwachung im Gelände und vieles mehr wären denkbare Anwendungen, jede für eine festgelegte Zeitspanne und keinen Moment länger.
Wenn es um Drohnen geht, soll diese VAPR-Technologie wie erwähnt im Rahmen von ICARUS verwendet werden, wobei die leichten Fluggeräte verschiedene Grundforderungen erfüllen sollen. So sollen sie ein 1,5 Kilogramm schweres Paket innerhalb von etwa zehn Metern vom geplanten Zielort abwerfen können, ohne dabei ihre Fracht zu schädigen.
Wenn die Drohnen aus einer Höhe von mehr als 10 000 Metern von Ballonen abgekoppelt werden, müssen sie in der Lage sein, mindestens 150 Kilometer auf geradem Kurs zu fliegen. Sie selbst dürfen nicht zu groß und zu schwer sein, als Spannweite werden rund drei Meter oder weniger angegeben.
Die Rede ist sowohl von zersetzlicher Elektronik als auch der Komplettauflösung einer Drohne. Das ICARUS-Projekt zielt im Endergebnis auf eine Drohne, die innerhalb von vier Stunden nach erfülltemAuftrag verschwindet oder sich innerhalb von 30 Minuten nach Eintritt der bürgerlichen Dämmerung ganz nach VA(m)P(i)R-Art auflöst.
Und wie das US-Magazin Popular Scienceentsprechend feststellte, lasse diese Eigenschaft die ICARUS-Drohnen gleichermaßen zu Vampiren wie zu Robotern werden.
Die DARPA sieht vor, dass die elektronischen Komponenten, falls nötig, auch einfach in einem Glas Wasser aufgelöst, die Toilette hinuntergespült oder sogar aufgegessen werden können. Bon appétit! Wasser-&-Co-lösliche UAV-Produkte, die Drohnenlösung für die Zukunft!
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