Sternenkrieg 2.0: US-Rüstungskonzern baut »Weltraum-Killer«
Andreas von Rétyi
Es ist wieder Hochzeit für die heißen Krieger. Reagans »Starwars«-Programm der 1980er-Jahre wurde in Wahrheit nie aufgegeben. Im Gegenteil: Jetzt erlebt die Rüstungsindustrie auch im All eine Renaissance. Der US-amerikanische Rüstungskonzern Raytheon kommt einen entscheidenden Schritt weiter, um sein »Multi-Objekt«-System zur Eliminierung feindlicher Ziele im Weltraum zu realisieren.
Als der damalige US-Präsident Ronald Reagan im Zeichen des Kalten Krieges 1983 die Strategic Defense Initiative (SDI) anordnete, um einen Verteidigungsschirm gegen Interkontinentalraketen zu schaffen, war schnell vom »Starwars«-Programm die Rede. Eine neue Ära schien begonnen zu haben, mit der scheinbar unvermeidlichen Konsequenz fatalster Eskalation.
Die extrem realistische und von strikter Geheimhaltung charakterisierte US-Übung Able Archer '83führte die Welt im gleichen Jahr beinahe in die nukleare Vernichtung.
SDI war in aller Munde, und während die einen von einer erforderlichen Verschiebung im Kräftegleichgewicht sprachen, wiesen die anderen auf die Missachtung von Abrüstungsverträgen und gefährliche Provokation hin.
Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde SDI dann beendet, zumindest im Namen. Tatsächlich haben die USA ihre diesbezüglichen Aktivitäten über Jahrzehnte hinweg unter verschiedenen Bezeichnungen betrieben, letztlich alles Synonyme für die gleichen Absichten, ob nun seit 1974 unter der Ägide der Ballistic Missile Defense Organization (BMDO), unter Clintons National Missile Defense (NMD) oder ab 2002 dann im Rahmen der MissileDefense Agency unter George W. Bush.
Im Auftrag dieser Pentagon-Abteilung entwickelt der riesige US-Rüstungskonzern Raytheon nun auch sein neues Konzept des Multi-Object Kill Vehicle (MOKV), das grundsätzlich nur für eine Systemkomponente steht, oft aber auch als Synonym für das gesamte Projekt gebraucht wird.
Der jetzt erreichte Abschluss des ersten Prüfungsabschnitts wird bereits als »Meilenstein« in der Konzept-Entwicklungsphase betrachtet. In diesem Abschnitt soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen sämtliche Erwartungen der Missile Defense Agency auch wirklicherfüllt. Selbst, wenn das »Starwars«-Programm über Jahrzehnte hinweg unter verschiedenen Namen weitergeführt wurde, zeichnet sich nun also wieder verstärkte Aktivität ab.
Was steckt nun hinter dem MOKV und dem gesamten Programm? Der Auftrag wurde Raytheonerst im August erteilt, doch scheint die Arbeit zügig voranzugehen.
Ziel ist die Entwicklung von vier »Kill-Vehicle«-Programmen, die als Antwort auf neu entstehende Bedrohungen durch ballistische Langstreckenraketen gedacht sind. Zum Projekt zählen dasExoatmospheric Kill Vehicle (EKV), dasRedesigned Kill Vehicle (RKV), außerdemStandard Missile-3 (SM-3) und das Multi-Object Kill Vehicle.
Schon vor Jahren wurde unter dem NamenMultiple Kill Vehicle ein ähnliches Projekt verfolgt, 2009 dann allerdings zunächst eingestellt.
Nun lebt es als MOKV also wieder auf. Das EKV gilt Raytheon als Pionier der Killersatelliten. Es soll als Abfangeinheit rund um die Uhr aktiv sein, um als Komponente eines umfassenden, bodengestützten Systems zur Verteidigung der USA gegen interkontinentale ballistische Raketen zu dienen.
Sobald über das erdgebundene Sensorsystem eine Bedrohung erkannt wird, startet eine dreistufige Rakete, wobei das EKV selbst dann außerhalb der Erdatmosphäre aktiv wird, hochempfindliche Sensoren einsetzt und das Ziel lediglich durch schiere Kollisionsenergie zerstört.
Ähnlich soll das SM-3 als Waffensystem der US-Marine zur Zerstörung von ballistischen Kurz- bis Mittelstreckenraketen dienen. Es gilt als wesentlicher Bestandteil der Raketenabwehr für Europa. Das RKV soll ein kosteneffektives »Kill Vehicle« der nächsten Generation sein, allerdings werden kaum Details enthüllt.
Das MOKV schließlich soll, wie der Name schon sagt, unter Verwendung hochentwickelter Sensor-, Steuerungs-, Antriebs- sowie Kommunikationstechnologie gleichzeitig mehrere Ziele im Weltraumerfassen und zerstören.
»Die auftretenden Bedrohungen verlangen ein neues Einsatzparadigma – eines, wie es das Raytheon-Team mit seiner weitreichenden Erfahrung und dem breiten Spektrum an Fähigkeiten vollständig zu stützen vermag«, so erklärt sehr selbstbewusst Dr. Thomas Bussing, stellvertretender Chef für das neue Raytheon-Produktsegment Advanced Missile Systems.
Als Subunternehmer tritt unter anderem der US-Elektronikkonzern Thales Group auf, ein Schwergewicht auf dem Verteidigungssektor, das seine Entwicklungen als innovative Strategien bewirbt, »die den Kunden dabei unterstützen, eine sicherere Welt zu schaffen«. So wird das heute also formuliert! Jedenfalls werden die Rüstungsriesen bald wohl wieder herausragende Gewinne einstreichen, um die Welt mit einer Vielzahl moderner Waffensysteme friedlicher werden zu lassen.
Thales ist Subkontraktor für die NATO-BMD-Testaktivitäten. Dabei sollen nun die BMD-Sensoren mit den Waffensystemen der NATO und deren Verbündeten abgeglichen und reibungslos funktionierende Schnittstellen geschaffen werden. Tests sollen in den Niederlanden erfolgen, doch auch hierzu hält man sich mit Details vornehm zurück.
2006 war bereits ein modifiziertes SMART-L-Suchradar von Thales an Bord des niederländischen Schiffes HNLMS Tromp getestet worden. 2014 konnte Thales Verträge zur technologischenAuffrischung von vier SMART-L-Radarsystemen auf niederländischen Marineschiffen abschließen, um diese Anlagen mit echten BMD-Fähigkeiten auszustatten.
2015 demonstrierte das Unternehmen dann die Wirksamkeit der entwickelten Technologien, um extraterrestrische Objekte zu entdecken und zu verfolgen.
Nun freuen sich die Thales-Leute, ihre Arbeit fortsetzen zu können. So geht es in der Welt – dem einen Freud ist des andern Leid. Wenn sich die Weltpolitik dem Gefrierpunkt nähert, kann die Rüstungsindustrie stets tüchtig heizen! Auch im 21. Jahrhundert hat der Mensch nichts dazugelernt. Es bleibt also beim ewigen Krieg für ewigen Frieden!
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