An allen Fronten: Bundeswehr jetzt im globalen Krieg
Peter Orzechowski
Vor lauter IS, Syrien-Krieg und Türkei-Anbiederung ist ein Kriegseinsatz der Bundeswehr unter dem öffentlichen Radar hindurchgerutscht: der Marschbefehl ins westafrikanische Mali. Dabei wird es dort vermutlich die meisten deutschen Gefallenen geben.
Der geplante erweiterte Einsatz der Bundeswehr im Norden Malis unter dem Dach der Vereinten Nationen soll nach dem Willen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im Frühjahr starten. »Dringend gebraucht werden in Mali Einsatzkräfte, die aufklären, wo sich in diesem riesengroßen Land Terrorgruppen und Milizen bewegen«, sagte von der Leyen der Zeitung Bild am Sonntag. »Aktuell übernehmen die Niederlande diese Arbeit, da kann die Bundeswehr mit ihren hohen Aufklärungsfähigkeiten ab Frühjahr 2016 entlasten«, fügte sie hinzu.
Mali war lange eine Musterdemokratie in Afrika – blieb aber eines der ärmsten Länder der Welt. Nachdem in Folge des Bürgerkrieges in Libyen 2011 viele Waffen und Kämpfer zum halbnomadischen Tuareg-Volk im Nordosten Malis gelangt waren, griffen dessen Kämpfer im Januar 2012 die Regierung an und forderten Unabhängigkeit für ihre Gebiete.
Weil es der Regierung nicht gelang, die Tuareg schnell niederzuschlagen, meuterten bald Regierungssoldaten – was sich im März 2012 zu einem Putsch auswuchs. Militär und Übergangsregierung bekamen die eskalierenden Kämpfe nicht mehr unter Kontrolle. Vor allem islamistische Gruppen breiteten sich aus, zerstörten Teile der berühmten Oasen-Stadt Timbuktu und errichteten dort ein Terrorregime. Die Ex-Kolonialmacht Frankreich griff Ende 2012 militärisch ein; am 20. Dezember 2012 sprach sich der UN-Sicherheitsrat einstimmig für einen Einsatz aus.
Der Staat in Westafrika, der dreimal so groß ist wie Deutschland, weckt bei der derzeit sich beschleunigenden Aufteilung der Welt Begehrlichkeiten: Da ist einmal die für die USA und China immer wichtiger werdende Frage der Anbaugebiete. Wenngleich aufgrund klimatischer Umstände lediglich 3 bis 3,5 Millionen Hektar genutzt werden können, hat die Landwirtschaft Malis ein großes Potential.
Des Weiteren hat das Land bedeutende Bodenschätze. Obwohl der Goldreichtum Malis bereits im Altertum legendär war, ist der dortige Bergbau ein relativ junger Wirtschaftszweig. Die ersten Explorationen wurden in den 1980er Jahren durchgeführt, in den 1990er Jahren begann die stürmische Entwicklung der Goldgewinnung. Heute ist Mali der drittgrößte Goldproduzent Afrikasnach Südafrika und Ghana. Jährlich werden bis zu 50 Tonnen Gold gewonnen, die Reserven werden auf 800 Tonnen geschätzt.
Neben Gold lagern weitere Rohstoffe im Boden, dazu gehören geschätzte 20 Millionen Tonnen Phosphate, 40 Millionen Tonnen Kalk, 53 Millionen Tonnen Steinsalz, 1,2 Milliarden Tonnen Bauxit, 2 Milliarden Tonnen Eisenerz, 10 Millionen Tonnen Mangan, 10 Milliarden Tonnen Ölschiefer, 60 Millionen Tonnen Marmor, 5000 Tonnen Uran und 1,7 Millionen Tonnen Blei und Zink (alle Zahlen bei Wikipedia). Aufgrund schlechter Infrastruktur und Energieversorgung sind diese Rohstoffe bislang zwar geologisch erfasst, aber nicht erschlossen.
Und ein dritter geopolitischer Faktor: An Mali grenzen unter anderem Senegal im Westen, Guinea im Südwesten und die Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) im Süden. Damit ist Mali Nachbar des größten Öl-Eldorados des 21. Jahrhunderts: Westafrika.
Die UN-Mission »Minusma«, an der sich nun die Bundeswehr maßgeblich beteiligen soll, ist im unruhigen Norden des Landes aktiv und mit einem sogenannten robusten Mandat ausgestattet, das auch den Einsatz militärischer Mittel erlaubt. Von der Leyen sagte dazu: »Unsere Soldaten müssen sich schützen können und brauchen deshalb ein robustes Mandat.«
Zur möglichen Einsatzstärke für die Bundeswehr machte die Ministerin noch keine Angaben. Zunächst solle eine weitere Erkundungsmission entsandt werden. Zudem würden Gespräche mit den Niederlanden und den Vereinten Nationen geführt. Der geplante neue Einsatz ist nach Ansichtvon der Leyens auch angesichts der Flüchtlingskrise nötig. »Das Land ist eine Drehscheibe für die Flüchtlingsrouten«,sagte sie. Es sei daher »wichtig, dass Mali dauerhaft befriedet wird und Schlepper nicht weiter ihre üblen Geschäfte machen«.
Mali: Stellvertreterkrieg zwischen USA/EU gegen China/Russland
Was die Bundeswehr in Mali erwartet und in welch gefährliche geopolitische Fahrwasser sie sich begibt, zeigte ein Vorfall vor zehn Tagen, der im Trubel um die Anschläge von Paris in den Medien nahezu unterging: Die im Zentrum Malis tätige Befreiungsfront Macina (FLM), die mit der Dschihadisten-Gruppe al-Qaida im Islamischen Maghreb (Aqmi) verbündet ist, hatte auf ein Hotel in der Hauptstadt Bamako einen Anschlag verübt. Dabei wurden 27 Menschen getötet.
Internationale Medien haben jetzt bestätigt, dass wenigstens 9 der 27 Ermordeten Chinesen und Russen sind. Das allein wäre schon seltsam, aber die Identitäten und Positionen der Getöteten sind besonders bezeichnend. Die chinesischen Opfer waren wichtige Persönlichkeiten der China Railway Construction Corporation (CRCC – Eisenbahnbau), während die Russen Angestellte der russischen staatlichen Luftfahrtgesellschaft Volga-Dnepr waren.
Dass gerade diese Personen getötet wurden, deutet an, dass sie Ziele einer terroristischen Mord-Operation waren. War das Ziel dieser sorgfältig geplanten und ausgeführten Operation, Russland und China eine Botschaft zu senden?
Sehen wir uns die Fakten an: Berichten zufolge waren die Attentäter »schwer bewaffnete und gut-trainierte Kämpfer«. Die Chinesen sind offenbar gleich zu Beginn des Anschlags erschossen wurden: Zhou Tianxiang, Wang Xuanshang und Chang Xuehui. Zhou war Generaldirektor der internationalen Abteilung der CRCC, Wang war sein Stellvertreter und Chang war Generaldirektor der Westafrika-Abteilung der CRCC. Sie waren Pekings direkte Verbindung zur Regierung Malis. Da der Eisenbahnbau der Schlüssel der Infrastruktur und der ökonomischen Entwicklung des Binnenlandes Mali ist, bedeutet der Tod dieser drei Männer eine symbolische und greifbare Attacke auf Chinas Partnerschaft mit Mali.
Ende 2014 hatte China den Bau einer 900 Kilometer langen Eisenbahnstrecke, die Bamako mit dem Atlantik-Hafen und der Hauptstadt Conakry im benachbarten Staat Guinea verbinden soll, angekündigt. Das Projekt, das von vielen Experten als wichtig für den Transport des Mineral-Reichtums von Mali auf den Weltmarkt angesehen wird, ist bedeutend für die Entwicklung des Landes. Außerdem will die CRCC auch die Eisenbahn-Verbindung zwischen Bamako und Senegals Hauptstadt Dakar erneuern.
Mit diesen beiden Projekten, einschließlich eines Straßenbaus durch die konfliktreiche Zone im Norden des Landes und einer dringend benötigten neuen Brücke in Bamako, will China etwa so viel investieren wie Mali im Jahr erwirtschaftet, nämlich zwölf Milliarden US-Dollar. Dass eine Terror-Attacke gerade diese drei Männer erwischte, die drei vielleicht wichtigsten Männer in Mali zu der Zeit, ist schon ein sehr unwahrscheinlicher »Zufall«.
Sehen wir uns die sechs ermordeten Russen an: Sie waren alle Angestellte der russischen Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr. Diese Airline ist laut Wikipedia »weltführend auf dem globalen Markt für den Transport von übergroßen, einzigartigen und schweren Frachten … Sie bedient Regierungs- und kommerzielle Organisationen wie etwa führende Firmen im Öl-, Gas-, Energie-, Luftfahrt-, Landwirtschafts- und Telekommunikations-Sektor sowie humanitäre und Notfall-Dienstleistungen«.
Die Gesellschaft transportiert alles, von gigantischen Baggern bis zu Flugzeugen, Helikoptern, Mini-Fabriken und Kraftwerken bis zu schweren Maschinen für die Energie-Gewinnung – also alles, was die Chinesen und andere Entwickler im Lande brauchen.
China und Russland sind in den jüngsten Jahren ein großer Handels- und Entwicklungs-Partner Malis geworden. Außerdem wurde Moskau einer der wichtigsten Lieferanten an Waffen und anderer militärischer Ausrüstung für Malis Regierung in ihrem Krieg gegen den Terrorismus 2013.
Fazit: Der Anschlag auf die chinesischen und russischen Geschäftsleute und die gleichzeitige Entsendung von Bundeswehr-Truppen sind ein klares Signal der USA und der NATO an die Adresse Moskaus und Pekings, dass das westliche Bündnis entschlossen ist, den Kampf um die weltweiten Ressourcen mit allen terroristischen und militärischen Mitteln zu führen.
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